Die Nazi-Zeit in Osnabrück und die Erinnerung

Die Osnabrücker Politik des Erinnerns an den deutschen Faschismus ist von zahlreichen Besonderheiten gekennzeichnet. Gleichzeitig fügt sie sich umstandslos in das nationale Projekt der „Wiedergutwerdung der Deutschen“ (Eike Geisel) ein. Ihnen soll aus Anlass des 80. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus nachgegangen werden.

Gedenken

Das betriebsam gedenkende Deutschland widmete sich mit Verve den ermordeten Juden. Später folgten zögernd sukzessive weitere verfolgte, bis in die Gegenwart von der Mehrheitsgesellschaft geächtete und diskriminierte Opfergruppen: Sinti und Roma, Homosexuelle und queere Menschen, die Ernsten Bibelforscher, die sich auch Zeugen Jehovas nannten, sogenannte ‚Asoziale‘, Bettler*innen, Arbeitsverweigerer*innen, Alkoholiker*innen und ‚befristete Vorbeugungshäftlinge‘, die als ‚Berufsverbrecher‘ kategorisiert wurden oder wegen ihres „unmoralischen“ und „asozialen“ Lebenswandels der „vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“ den Behörden ausgeliefert waren. Körperlich und geistig Behinderte wurden sterilisiert oder ermordet. Die Überlebenden saßen in Entschädigungsverfahren ihren Nazi-Ärzt*innen, Richtern und Peinigern erneut gegenüber.

Widerstand

Erst vor kurzem wurden Wehrmachts-Deserteure als Verfolgte anerkannt, während sich die Wehrmachtsoffiziere, die den Attentatsversuch auf Hitler am 20. Juli 1944 unternahmen, in die antikommunistische Formierung und militaristische Aufrüstung des Nachkriegs-Westdeutschlands nahtlos einfügten und als vermeintliche Vorbilder für Widerstand und Demokratie herausgestellt wurden. Ebenfalls um Anerkennung zu kämpfen hatten ehemalige politische Gefangene, Gewerkschafter*innen, Sozialdemokrat*innen und bürgerliche Widerständler*innen, aber besonders Kommunist*innen. Sie saßen nach dem KPD-Verbot Mitte der 1950er Jahren erneut in Haft. Ende der 1960er Jahren wurden sie Dank des von der SPD mit initiierten ‚Radikalenerlasses‘ aus dem öffentlichen Dienst verbannt und in den Jahresberichten der Verfassungsschutzbehörden als Staatsfeinde geführt.

Mehrere tausend organisierte Widerstandskämpfer*innen in den Internationalen Brigaden und weitere linkskommunistische und anarchistische Einheiten, die gegen den Spanischen Franquismus und die deutsch-italienische Intervention in Spanien kämpften, wie auch die gegen den deutschen Vernichtungskrieg organisierte europäische Résistance werden bis heute nicht durch den staatlichen ‚Erinnerungsweltmeister‘ gewürdigt, noch wurden sie nach 1945 materiell unterstützt. Hierfür seien die jeweiligen Regierungen in den Ländern, in denen die Widerständler*innen gekämpft hätten, zuständig, verdeutlichte die Bundesregierung ihr Verständnis des antifaschistischen Widerstands. Hier macht die Friedensstadt Osnabrück keine Ausnahme.

Entschädigungsalmosen

Deutsche Konzerne wurden erst in den 1990er Jahren und infolge der Annexion der DDR durch US-amerikanische Initiativen und Klagen gezwungen, minimale Entschädigungen für geleistete Zwangsarbeit zu zahlen. Bis heute ist das Maß alltäglicher Zwangsausbeutung von verschleppten ‚Zivil‘- und Zwangsarbeiter*innen und Kriegsgefangenen in der Nazi-Zeit in allen gesellschaftlichen Bereichen nicht erkannt. Im ländlichen Raum auf jedem Hof und in den Städten in jedem Betrieb zur Arbeit gezwungen, taucht diese in der unmittelbare Nachbarschaft jede*r Bürger*in stattgefundene faschistische Missachtung der Menschenwürde und menschlicher Leben in keiner regionalen erinnerungskulturellen Erzählung auf.

Rituale

Gleichzeitig wurde bei allem Gedenken schnell deutlich, dass es vor allem um die eigene deutsche Befindlichkeit und Machtposition geht, um seine europäischen und weltweiten Ambitionen weiter verfolgen zu können. Zu den Ergebnissen dieser immer wieder abgespulten, hochtrabenden Inszenierung gehören die von staatlichen bis zu kommunalen Institutionen ohne jedes historische Verstehen gehaltenen ritualisierten Gedenkreden, garniert mit hoheitlichen Kranzabwürfen an festen Terminen, arrangiert mit betroffenem Minenspiel und beschallt von salbungsvollen Festreden. Im Anschluss an die Betroffenheit wird vielerorts direkt zur Tagespolitik übergegangen, in der die allgemeingültige Menschenwürde parteiübergreifend zunehmend wieder an Nationalität und Ethnie festgemacht wird. Fehlanzeige beim historischen Lernen.

Funktionalisierende Erinnerung

Nicht nur dem Frieden soll die Erinnerung in der selbsternannten und autorisierten Friedensstadt Osnabrück dienen. Sie führe zu Auseinandersetzungen an den ehemaligen Tatorten und habe ein Gedenken und Erinnern ermöglicht, welches mittlerweile alltägliche Praxis sei. Soweit die Wunschvorstellung der parteiübergreifenden Selbstvergewisserung.

Schauen wir etwas genauer hin, was mit dieser Täuschung verdeckt wird.

Abgeschaffter Antifaschismus

Kaum einem Nazi ging es an den Kragen. Die Entnazifizierungs-Ausschüsse kapitulierten rasch gegen die Flut von Täter*innen und Mitläufer*innen, zumal die Westalliierten schnell ihr kurzzeitiges Verfolgungsinteresse gegen das nun wieder aktualisierte antikommunistische Ressentiment tauschten und Nazi-Verbrecher*innen in die Nachkriegsgemeinschaft integrierten. Eine Eingliederungsleistung, die auch in der DDR offensiv verfolgt wurde. Dort wurden die Wehrmachts-Kriegsverbrecher ebenso wie in der BRD für die Nachfolgestreitkräfte dringend benötigt.

In allen gesellschaftlichen Bereichen wurde statt des Bruchs die Kontinuität favorisiert. Minimalstrafen standen Karrieren und wirtschaftlichem Auskommen nicht im Wege. Der Morddienst während des Vernichtungskriegs in der Wehrmacht wurde mit Renten- und Pensionsansprüchen vergütet. Staatliche, kommunale und private Formen der Enteignung und die Arisierung jeglicher Art von Besitz wurden legitimiert. Auch hier mussten Verfolgte und Geflohene den entwürdigenden Weg der Klage und in Konfrontation mit den Verwerter*innen, Nutznießer*innen und Täter*innen antreten. Ein verschwindend geringer Anteil von führenden Täter*innen wurde überhaupt belangt, millionenfaches Morden und Körper verletzen sowie Kompliz*innenschaft bleiben bis heute ungestraft.

Die Emslandlager

Im strukturschwachen Emsland befanden sich, neben dem nahe München gelegenen Konzentrationslager Dachau, die größten frühen Nazi-Konzentrationslager: Neusustrum, Börgermoor und Esterwegen. Dort wurden direkt nach der Machtübergabe an die Nazis besonders politische Gefangene, aber auch zahlreiche weitere verfolgte Gruppen inhaftiert. Der Lagerkomplex wurde bis zur Befreiung kontinuierlich für weitere Gefangenengruppen wie Justiz- und Kriegsgefangene ausgebaut, immer neue Lager geschaffen: am Ende waren es dort ganze 15 Lager. Ein Teil der Gefangenen wurde aus den emsländischen Lagern nach Osnabrück zur Zwangsarbeit auf dem Piesberg, beim Bombenräumen und in der Beseitigung von Trümmern gezwungen.

In den Emslandlagern begannen zahlreiche Nazi-Täterkarrieren und die Ausbildung für das massenhaft benötigte Mordpersonal zur Entwicklung und Perfektion des Universums der Konzentrations- und Vernichtungslager. Initiativ an der Errichtung der frühen Konzentrationslager beteiligt waren der Osnabrücker Regierungsrat und Regierungspräsident Bernhard Eggers, der Osnabrücker Oberbürgermeister Erich Gaertner und sein Stab in der Stadtverwaltung. Die Osnabrücker Schutzpolizei und SS-Mannschaften waren als Wachpersonal vertreten.

Die Erinnerung an die Lager wurde zuerst durch die ehemaligen Häftlinge, etwa das Komitee der Moorsoldaten und ab den 1980er Jahren in Zusammenarbeit mit der Initiative des DIZ (Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager) wach gehalten. Es entstanden ein Archiv mit zahlreichen Erinnerungen und Dokumenten zur Lagergeschichte und die Veröffentlichung grundlegender wissenschaftlicher Schriften in der DIZ-Schriftenreihe. Seit November 2011 ist die Dauerausstellung in der neuen Gedenkstätte Esterwegen zugänglich. Mittlerweile musste das DIZ-Archiv und seine Sammlung aus der Gedenkstätte weichen und in Papenburg eigene Räumlichkeiten beziehen, um seine Arbeit fortsetzen zu können.

Der Kampf und das Engagement der Häftlinge der Emslandlager, einige kamen direkt aus Osnabrück und kehrten nach 1945 auch hierher zurück, spielen in der lokalen Erinnerungskonzeption keine Rolle.

Erinnerungspolitik in Osnabrück

Ein weiterer Schritt, die eigene Beteiligung an der Nazi-Herrschaft zu relativieren, bestand in der Pflege der Halluzination eines Daseins als Opfer. Hierbei stehen die alliierten Luftangriffe, das britische und amerikanische „Vernichtungswerk“ und die Zerstörung der Stadt durch den „alliierten Bombenterror“ im Vordergrund. Eine Formulierung, die bereits die Nazi-Propaganda ausgiebig zur Durchhalteparole wendete und die gerne von der Bevölkerung aufgegriffen wurde. In Osnabrück wird der Ostersonntag des 25. März 1945 ungebrochen als lokal herausragendes Ereignis beschworen.

Das städtisch subventionierte Erich Maria Remarque-Zentrum hat diese Strategie nun unter den Leitmotiven „Schutt“ und „Demokratie“ aktualisiert. In Berlin steht eine ähnliche Ausstellung unter der Losung „Mit Trümmern Träume bauen“.

In der Osnabrücker Ausstellung werden mehrere Gemälde gezeigt, die die Zerstörungen des ‚Bombenterrors‘ zum zentralen Thema haben. Zwar weist eine Tafel mit einer Fotografie auf die Zwangsarbeiter und KZ-Gefangenen hin, die von der Osnabrücker Stadtverwaltung zum Bomben- und Schutträumen verpflichtet wurden, näheres erfahren die Besucher*innen aber nicht.

Quellen wie die Erinnerungen des kommunistischen Widerstandskämpfers Fritz Bringmann (1918–2011), der in mehreren Konzentrationslagern, darunter Sachsenhausen und Neuengamme, inhaftiert war, werden nicht zitiert. Bekannt sind sie uns überhaupt nur durch antifaschistische zivilgesellschaftliche Erinnerungsarbeit. Sie könnten einen Eindruck des Schreckensregime und der Alltäglichkeit des Arbeitseinsatzes vermitteln. Zwischenzeitlich wurde Bringmann in Osnabrück in der 2. SS-Baubrigade zu Bomben- und Schutträumungen herangezogen. Er berichtet als Sanitäter der Brigade von Misshandlungen und Erschießungen durch die Bewacher. Während Bringmann und weitere Familienangehörige in der Geburtsstadt Lübeck wenigstens am Lebensende für ihr antifaschistisches Engagement geehrt wurden, erfuhr er in Osnabrück keine öffentliche Anerkennung.

Die Eindrücke der ‚Osnabrücker Opfer‘ stehen auch in der die Ausstellung begleitenden Broschüre „… Die Geburtsstunde der Demokratie“ prominent im Vordergrund. Hier geht es um die „völlig zerstörte Stadt“, der die „Siegermächte“ die Freiheit aufgenötigt hätten. Die „Widerständler und Demokraten“ dagegen werden als unbedeutend und zu vernachlässigen marginalisiert. Sie seien „längst ermordet“, noch „im KZ gefangen oder ins Ausland geflohen“ und „auf Nimmerwiedersehen verschwunden“, heißt es im Vorwort der Broschüre, die u.a. von dem Leiter des Erich Maria Remarque-Zentrums, verfasst wurde.

Ohne die ehemaligen Nazis sei der Aufbau der Stadt nach dem Krieg in der Verwaltung nicht möglich gewesen, so eine weitere Behauptung. Statt des überzeugten Nazis und ehemaligen Oberbürgermeisters Gaertner, Mitglied in der SA und NSDAP, wird der Jurist und Volkswirt Johannes Petermann hervorgehoben und als geläuterte Identifikationsfigur angeboten. Er wurde erst von den Briten zum Oberbürgermeister, später zum Regierungspräsidenten ernannt. Der ehemalige Zentrumspolitiker war in der Nazizeit zeitweise tatsächlich Vertreter von Gaertner in der Polizeibehörde gewesen. Er sei bei den Nazis als „Verwaltungsfachmann geschätzt“, aber „nicht linientreu genug“ gewesen. Sein Aufgabenbereich sei u.a. gewesen, „Bombenschäden“ zu regulieren und er habe die „Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeiterlager beaufsichtigt“, schreibt der Leiter des Erich Maria Remarque-Friedenszentrums.

Petermann war dann auch für die elenden Lebensbedingungen der Zwangsarbeiter*innen und Kriegsgefangenen oder die von der Stadt Osnabrück für die Beseitigung der Kriegsschäden verpflichteten Gefangenen aus dem Konzentrationslager Neuengamme bei Hamburg mit zuständig. Einer der Vielen im Verwaltungsbetrieb, über die bis heute wenig bekannt ist.

Die Ausblendung der Täter*innen verdeckt zudem die breite Massenbasis der Unterstützer*innen im Nazi-System. Das Ausmaß der Beteiligung und die Einbindung bleibt weitgehend im Dunkeln und wird verdrängt. Das alltägliche Funktionieren und die Förderung des Nazi-Regimes, etwa in Wirtschaft, Vereinen, Verwaltung, bleiben unerkannt.

Auferstehung der Täter als Opfer und ihre „Ambivalenz“

In der Diskussion um das Wirken von Hans Georg Calmeyer wird die Verschränkung von Opfern und Täter*innen weiter getrieben. Ein juristischer Bürokrat wird zum „Judenretter“ stilisiert. Er soll, so die Intention der institutionalisierten örtlichen Erinnerungsvereinigungen, die Zwiespältigkeit und engen Handlungsspielräume in der Nazi-Zeit verdeutlichen.

Seine Doppelrolle als Retter soll seine Vorbildfunktion unterstreichen, während seine Funktion als Mit-Deporteur in die Vernichtungsstätten den Gegensatz zwischen Täter*innen und Opfern weiter nivelliert. Eine Entwicklung, die zuerst in der Nachkriegszeit in völkisch-nationalistischen und revanchistischen Kreisen etabliert, nun in zahlreichen gesellschaftlichen und politischen Bereichen ihre normalisierende Verbreitung erfahren hat. Das Bild und die Erzählung des Deutschen als Opfer, war bereits früh von den Nazi-Propagandist*innen im Gewand der Drohung der „Siegerrache“ geboren worden. Mittlerweile wird das stereotype Sinnbild der „Optionen des Handelns“ bemüht, das behauptet, Handlungsmöglichkeiten seien begrenzt, das Mitmachen und die Unterstützung der Diktatur sei unvermeidlich gewesen – ein Hohn gegenüber den internationalen Widerstandskämpfer*innen und den Befreier*innen. Es werden bewußt indifferente bürgerliche Protagonisten wie der „Oskar Schindler Osnabrücks“ hervorgehoben, während das rare antifaschistische Engagement und Handeln ausgeblendet bleibt, wie die Calmeyer-Rehabilitierung verdeutlicht, der bereits 1989 mit einem nach ihm benannten Platz geehrt wurde.

Mathias Middelberg, einer der Calmeyer-Biographen, gleichzeitig ein konservativer Osnabrücker CDU-Spitzenpolitiker, gefällt sich als geschichtsbewußter Erinnerungsrevisionist, der gleichzeitig das repressive EU-Außengrenzregime lobt und die mörderische Abschottungspolitik voran treibt. Als bürgerlicher Haushaltspolitiker fördert er die neoliberale Umverteilungspolitik zu Lasten der sozialen Sicherungssysteme.

Die Osnabrücker Lokalparteien, von der konservativen CDU über die staatskonforme SPD zu den Grünen, waren sich einig, für den nach Calmeyer benannten Erinnerungsort im ehemaligen NSDAP-Hauptquartier neben dem Felix-Nussbaum-Museum zu trommeln.

Erst konsequente Einsprüche von Historiker*innen, Antifaschist*innen und Überlebendenverbänden aus den Niederlanden konnten die von der Stadt und ihren Amtsträger*innen heftig verteidigte Namensgebung verhindern. In der überregionalen Presse wurde die Inszenierung des Osnabrücker Forums für Erinnerungskultur und die Verwandlung des „NS-Rassereferenten“ zum „Musterdemokraten“ und „Widerständler“ mit Befremden aufgenommen. Übrig bleibt ein „Lernort für Demokratie“ im ehemaligen Osnabrücker Hauptquartier der NSDAP, in dem Nazigegner drangsaliert wurden. Das Gebäude, nun neutralisierend als „Villa_“ benannt, wird seiner Nazi-Geschichte entrückt. Verpasst wurde die Möglichkeit, einen zentralen Dokumentationsort für die Nazi-Geschichte und ihre Folgen in Osnabrück aufzubauen, mittlerweile eine Selbstverständlichkeit in vielen anderen vergleichbaren Städten.

Krieg im Frieden

Erinnert wurde in den 1980er Jahren entgegen dem Widerstand konservativer Kräfte, etwa aus der CDU, an den liberalen Exilschriftsteller Erich Maria Remarque. Er fügt(e) sich mit seinem Antikriegsroman Im Westen nichts Neues fast idealtypisch in das Konzept der Friedensvermarktung der Stadt Osnabrück und seiner Anknüpfung an den Westfälischen Frieden ein.

Osnabrück war seit der Industrialisierung eine Rüstungsstadt. Immer, wenn die zivilen Märkte nicht den gewünschten Mehrwert aus der Arbeit auspressen konnten, wurde für den nationalen Expansionskrieg produziert, spätestens ab den 1930er Jahren in der homogenisierten Volksgemeinschaft. Mit Kriegsbeginn erhielten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter die Produktion aufrecht. Ihre Ausbeutung war mit dem Konzept der „Vernichtung durch Arbeit“ im Universum der Vernichtungs-, Konzentrations- und Arbeitslager verbunden.

1945, in der von Staat und Kapital ausgerufenen ‚Stunde Null‘ schließlich, die von der Bevölkerung gerne aufgegriffen wurde und wird, fertigt ‚Volkswagen‘ statt dem Wehrmacht-Kübelwagen nun, baugleich mit leichten Veränderungen, den ‚zivilen‘ Käfer.

Das Osnabrücker Unternehmen der Familie Karmann stellt gleichfalls von der Produktion von Flugzeugteilen für die deutsche Luftwaffe wieder auf die Autoproduktion um. Sie geht gestärkt aus der beschworenen ‚Kriegskatastrophe‘ hervor. 2025 wird abermalig eine gewinnträchtige Konversion beschworen. Die nicht mehr profitable Autoproduktion soll nun durch diejenigen Waren der Rüstungsschmiede Rheinmetall ersetzt werden, die in der ‚Friedensstadt‘ investieren möchte. Die Arbeiter*innen sollen sich über die Erhaltung der versprochenen Niedriglohnausbeutungsplätze freuen. Kapitalisten und Finanzindustrie jubilieren, die unpolitisch servilen Gewerkschaften fordern allenfalls einen Mindestausbeutungslohn. Im November 2023 verkündete der beliebte SPD-Minister Pistorius, dass Deutschland „kriegstüchtig“ werden müsse. Eine Forderung, um in der nationalstaatlichen Konkurrenz zu bestehen und den imperialen Gegnern im täglichen Handelskrieg entgegen zu treten.

Dagegen ist daran zu erinnern, dass die „sogenannte freie Welt an ihrem eigenen Begriff zu messen“ sei. Sich „kritisch zu ihr zu verhalten und dennoch zu ihren Ideen zu stehen, sie gegen Faschismus Hitlerscher, Stalinscher und anderer Varianz zu verteidigen, ist Recht und Pflicht jedes Denkenden“, wie Max Horkheimer in den 1960er Jahren pointiert formuliert hat.

Gedenken hat nur eine Konsequenz aus dem Leiden der Opfer zu ziehen: Alles dafür zu tun, dass Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts ähnliches geschehe.

Befreiung feiern bedeutet, sich organisiert gegen jegliches Schlussstrich-Gerede zu wenden, heißt auch, der zunehmenden Kriminalisierung antifaschistischen Widerstands und allen Formen des Antisemitismus und Rassismus entgegen zu treten.

Wir gedenken der Opfer des NS-Terrors und der Wehrmachtsverbrechen!

Wir erinnern an den Schwur von Buchenwald, in dem es heißt:

„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“

Orte nationalsozialistischer Gewalt – Kritischer Stadtrundgang, Freitag, 04.11.2022, 16:00 Uhr

Orte nationalsozialistischer Gewalt – Kritischer Stadtrundgang

Ausgehend vom Osnabrücker Schloß – einem zentralen Gebäude der Uni – stellen wir wesentliche Orte der NS-Stadtgeschichte in einem Rundgang vor. Bisher stecken die Untersuchungen zur Zeit des Nationalsozialismus und seinen Folgen in Osnabrück in den Anfängen oder sie konzentrieren sich auf zweifelhafte Repräsentanten, wie die Diskussion um das Wirken von Hans Calmeyer gezeigt hat.

Nazi-Kundgebung aus dem Ledenhof, Osnabrück

Wir versuchen dagegen an historischen Stätten einen kritischen Überblick über die allgegenwärtige Verfolgung, Drangsalierung, Erfassung und Arisierung, Vertreibung und Vernichtung, wie auch auf die Täter*innen zu geben und auf die vielfältigen Kontinuitäten hinzuweisen.

Der Rundgang findet am Fr. 04.11.2022 zwischen 16:00 bis ca.18:00 Uhr statt.
Treffpunkt: Café Mano Negra, Alte Münze 12, gegenüber dem AStA

Organisiert vom Café Mano Negra & der Geschichtswerkstatt regionale Täterforschung Osnabrück im Rahmen der Kritischen Erstiwochen 2022 der Linken Hochschulgruppe die Kleinen Strolche