Die Nazi-Zeit in Osnabrück und die Erinnerung

Die Osnabrücker Politik des Erinnerns an den deutschen Faschismus ist von zahlreichen Besonderheiten gekennzeichnet. Gleichzeitig fügt sie sich umstandslos in das nationale Projekt der „Wiedergutwerdung der Deutschen“ (Eike Geisel) ein. Ihnen soll aus Anlass des 80. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus nachgegangen werden.

Gedenken

Das betriebsam gedenkende Deutschland widmete sich mit Verve den ermordeten Juden. Später folgten zögernd sukzessive weitere verfolgte, bis in die Gegenwart von der Mehrheitsgesellschaft geächtete und diskriminierte Opfergruppen: Sinti und Roma, Homosexuelle und queere Menschen, die Ernsten Bibelforscher, die sich auch Zeugen Jehovas nannten, sogenannte ‚Asoziale‘, Bettler*innen, Arbeitsverweigerer*innen, Alkoholiker*innen und ‚befristete Vorbeugungshäftlinge‘, die als ‚Berufsverbrecher‘ kategorisiert wurden oder wegen ihres „unmoralischen“ und „asozialen“ Lebenswandels der „vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“ den Behörden ausgeliefert waren. Körperlich und geistig Behinderte wurden sterilisiert oder ermordet. Die Überlebenden saßen in Entschädigungsverfahren ihren Nazi-Ärzt*innen, Richtern und Peinigern erneut gegenüber.

Widerstand

Erst vor kurzem wurden Wehrmachts-Deserteure als Verfolgte anerkannt, während sich die Wehrmachtsoffiziere, die den Attentatsversuch auf Hitler am 20. Juli 1944 unternahmen, in die antikommunistische Formierung und militaristische Aufrüstung des Nachkriegs-Westdeutschlands nahtlos einfügten und als vermeintliche Vorbilder für Widerstand und Demokratie herausgestellt wurden. Ebenfalls um Anerkennung zu kämpfen hatten ehemalige politische Gefangene, Gewerkschafter*innen, Sozialdemokrat*innen und bürgerliche Widerständler*innen, aber besonders Kommunist*innen. Sie saßen nach dem KPD-Verbot Mitte der 1950er Jahren erneut in Haft. Ende der 1960er Jahren wurden sie Dank des von der SPD mit initiierten ‚Radikalenerlasses‘ aus dem öffentlichen Dienst verbannt und in den Jahresberichten der Verfassungsschutzbehörden als Staatsfeinde geführt.

Mehrere tausend organisierte Widerstandskämpfer*innen in den Internationalen Brigaden und weitere linkskommunistische und anarchistische Einheiten, die gegen den Spanischen Franquismus und die deutsch-italienische Intervention in Spanien kämpften, wie auch die gegen den deutschen Vernichtungskrieg organisierte europäische Résistance werden bis heute nicht durch den staatlichen ‚Erinnerungsweltmeister‘ gewürdigt, noch wurden sie nach 1945 materiell unterstützt. Hierfür seien die jeweiligen Regierungen in den Ländern, in denen die Widerständler*innen gekämpft hätten, zuständig, verdeutlichte die Bundesregierung ihr Verständnis des antifaschistischen Widerstands. Hier macht die Friedensstadt Osnabrück keine Ausnahme.

Entschädigungsalmosen

Deutsche Konzerne wurden erst in den 1990er Jahren und infolge der Annexion der DDR durch US-amerikanische Initiativen und Klagen gezwungen, minimale Entschädigungen für geleistete Zwangsarbeit zu zahlen. Bis heute ist das Maß alltäglicher Zwangsausbeutung von verschleppten ‚Zivil‘- und Zwangsarbeiter*innen und Kriegsgefangenen in der Nazi-Zeit in allen gesellschaftlichen Bereichen nicht erkannt. Im ländlichen Raum auf jedem Hof und in den Städten in jedem Betrieb zur Arbeit gezwungen, taucht diese in der unmittelbare Nachbarschaft jede*r Bürger*in stattgefundene faschistische Missachtung der Menschenwürde und menschlicher Leben in keiner regionalen erinnerungskulturellen Erzählung auf.

Rituale

Gleichzeitig wurde bei allem Gedenken schnell deutlich, dass es vor allem um die eigene deutsche Befindlichkeit und Machtposition geht, um seine europäischen und weltweiten Ambitionen weiter verfolgen zu können. Zu den Ergebnissen dieser immer wieder abgespulten, hochtrabenden Inszenierung gehören die von staatlichen bis zu kommunalen Institutionen ohne jedes historische Verstehen gehaltenen ritualisierten Gedenkreden, garniert mit hoheitlichen Kranzabwürfen an festen Terminen, arrangiert mit betroffenem Minenspiel und beschallt von salbungsvollen Festreden. Im Anschluss an die Betroffenheit wird vielerorts direkt zur Tagespolitik übergegangen, in der die allgemeingültige Menschenwürde parteiübergreifend zunehmend wieder an Nationalität und Ethnie festgemacht wird. Fehlanzeige beim historischen Lernen.

Funktionalisierende Erinnerung

Nicht nur dem Frieden soll die Erinnerung in der selbsternannten und autorisierten Friedensstadt Osnabrück dienen. Sie führe zu Auseinandersetzungen an den ehemaligen Tatorten und habe ein Gedenken und Erinnern ermöglicht, welches mittlerweile alltägliche Praxis sei. Soweit die Wunschvorstellung der parteiübergreifenden Selbstvergewisserung.

Schauen wir etwas genauer hin, was mit dieser Täuschung verdeckt wird.

Abgeschaffter Antifaschismus

Kaum einem Nazi ging es an den Kragen. Die Entnazifizierungs-Ausschüsse kapitulierten rasch gegen die Flut von Täter*innen und Mitläufer*innen, zumal die Westalliierten schnell ihr kurzzeitiges Verfolgungsinteresse gegen das nun wieder aktualisierte antikommunistische Ressentiment tauschten und Nazi-Verbrecher*innen in die Nachkriegsgemeinschaft integrierten. Eine Eingliederungsleistung, die auch in der DDR offensiv verfolgt wurde. Dort wurden die Wehrmachts-Kriegsverbrecher ebenso wie in der BRD für die Nachfolgestreitkräfte dringend benötigt.

In allen gesellschaftlichen Bereichen wurde statt des Bruchs die Kontinuität favorisiert. Minimalstrafen standen Karrieren und wirtschaftlichem Auskommen nicht im Wege. Der Morddienst während des Vernichtungskriegs in der Wehrmacht wurde mit Renten- und Pensionsansprüchen vergütet. Staatliche, kommunale und private Formen der Enteignung und die Arisierung jeglicher Art von Besitz wurden legitimiert. Auch hier mussten Verfolgte und Geflohene den entwürdigenden Weg der Klage und in Konfrontation mit den Verwerter*innen, Nutznießer*innen und Täter*innen antreten. Ein verschwindend geringer Anteil von führenden Täter*innen wurde überhaupt belangt, millionenfaches Morden und Körper verletzen sowie Kompliz*innenschaft bleiben bis heute ungestraft.

Die Emslandlager

Im strukturschwachen Emsland befanden sich, neben dem nahe München gelegenen Konzentrationslager Dachau, die größten frühen Nazi-Konzentrationslager: Neusustrum, Börgermoor und Esterwegen. Dort wurden direkt nach der Machtübergabe an die Nazis besonders politische Gefangene, aber auch zahlreiche weitere verfolgte Gruppen inhaftiert. Der Lagerkomplex wurde bis zur Befreiung kontinuierlich für weitere Gefangenengruppen wie Justiz- und Kriegsgefangene ausgebaut, immer neue Lager geschaffen: am Ende waren es dort ganze 15 Lager. Ein Teil der Gefangenen wurde aus den emsländischen Lagern nach Osnabrück zur Zwangsarbeit auf dem Piesberg, beim Bombenräumen und in der Beseitigung von Trümmern gezwungen.

In den Emslandlagern begannen zahlreiche Nazi-Täterkarrieren und die Ausbildung für das massenhaft benötigte Mordpersonal zur Entwicklung und Perfektion des Universums der Konzentrations- und Vernichtungslager. Initiativ an der Errichtung der frühen Konzentrationslager beteiligt waren der Osnabrücker Regierungsrat und Regierungspräsident Bernhard Eggers, der Osnabrücker Oberbürgermeister Erich Gaertner und sein Stab in der Stadtverwaltung. Die Osnabrücker Schutzpolizei und SS-Mannschaften waren als Wachpersonal vertreten.

Die Erinnerung an die Lager wurde zuerst durch die ehemaligen Häftlinge, etwa das Komitee der Moorsoldaten und ab den 1980er Jahren in Zusammenarbeit mit der Initiative des DIZ (Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager) wach gehalten. Es entstanden ein Archiv mit zahlreichen Erinnerungen und Dokumenten zur Lagergeschichte und die Veröffentlichung grundlegender wissenschaftlicher Schriften in der DIZ-Schriftenreihe. Seit November 2011 ist die Dauerausstellung in der neuen Gedenkstätte Esterwegen zugänglich. Mittlerweile musste das DIZ-Archiv und seine Sammlung aus der Gedenkstätte weichen und in Papenburg eigene Räumlichkeiten beziehen, um seine Arbeit fortsetzen zu können.

Der Kampf und das Engagement der Häftlinge der Emslandlager, einige kamen direkt aus Osnabrück und kehrten nach 1945 auch hierher zurück, spielen in der lokalen Erinnerungskonzeption keine Rolle.

Erinnerungspolitik in Osnabrück

Ein weiterer Schritt, die eigene Beteiligung an der Nazi-Herrschaft zu relativieren, bestand in der Pflege der Halluzination eines Daseins als Opfer. Hierbei stehen die alliierten Luftangriffe, das britische und amerikanische „Vernichtungswerk“ und die Zerstörung der Stadt durch den „alliierten Bombenterror“ im Vordergrund. Eine Formulierung, die bereits die Nazi-Propaganda ausgiebig zur Durchhalteparole wendete und die gerne von der Bevölkerung aufgegriffen wurde. In Osnabrück wird der Ostersonntag des 25. März 1945 ungebrochen als lokal herausragendes Ereignis beschworen.

Das städtisch subventionierte Erich Maria Remarque-Zentrum hat diese Strategie nun unter den Leitmotiven „Schutt“ und „Demokratie“ aktualisiert. In Berlin steht eine ähnliche Ausstellung unter der Losung „Mit Trümmern Träume bauen“.

In der Osnabrücker Ausstellung werden mehrere Gemälde gezeigt, die die Zerstörungen des ‚Bombenterrors‘ zum zentralen Thema haben. Zwar weist eine Tafel mit einer Fotografie auf die Zwangsarbeiter und KZ-Gefangenen hin, die von der Osnabrücker Stadtverwaltung zum Bomben- und Schutträumen verpflichtet wurden, näheres erfahren die Besucher*innen aber nicht.

Quellen wie die Erinnerungen des kommunistischen Widerstandskämpfers Fritz Bringmann (1918–2011), der in mehreren Konzentrationslagern, darunter Sachsenhausen und Neuengamme, inhaftiert war, werden nicht zitiert. Bekannt sind sie uns überhaupt nur durch antifaschistische zivilgesellschaftliche Erinnerungsarbeit. Sie könnten einen Eindruck des Schreckensregime und der Alltäglichkeit des Arbeitseinsatzes vermitteln. Zwischenzeitlich wurde Bringmann in Osnabrück in der 2. SS-Baubrigade zu Bomben- und Schutträumungen herangezogen. Er berichtet als Sanitäter der Brigade von Misshandlungen und Erschießungen durch die Bewacher. Während Bringmann und weitere Familienangehörige in der Geburtsstadt Lübeck wenigstens am Lebensende für ihr antifaschistisches Engagement geehrt wurden, erfuhr er in Osnabrück keine öffentliche Anerkennung.

Die Eindrücke der ‚Osnabrücker Opfer‘ stehen auch in der die Ausstellung begleitenden Broschüre „… Die Geburtsstunde der Demokratie“ prominent im Vordergrund. Hier geht es um die „völlig zerstörte Stadt“, der die „Siegermächte“ die Freiheit aufgenötigt hätten. Die „Widerständler und Demokraten“ dagegen werden als unbedeutend und zu vernachlässigen marginalisiert. Sie seien „längst ermordet“, noch „im KZ gefangen oder ins Ausland geflohen“ und „auf Nimmerwiedersehen verschwunden“, heißt es im Vorwort der Broschüre, die u.a. von dem Leiter des Erich Maria Remarque-Zentrums, verfasst wurde.

Ohne die ehemaligen Nazis sei der Aufbau der Stadt nach dem Krieg in der Verwaltung nicht möglich gewesen, so eine weitere Behauptung. Statt des überzeugten Nazis und ehemaligen Oberbürgermeisters Gaertner, Mitglied in der SA und NSDAP, wird der Jurist und Volkswirt Johannes Petermann hervorgehoben und als geläuterte Identifikationsfigur angeboten. Er wurde erst von den Briten zum Oberbürgermeister, später zum Regierungspräsidenten ernannt. Der ehemalige Zentrumspolitiker war in der Nazizeit zeitweise tatsächlich Vertreter von Gaertner in der Polizeibehörde gewesen. Er sei bei den Nazis als „Verwaltungsfachmann geschätzt“, aber „nicht linientreu genug“ gewesen. Sein Aufgabenbereich sei u.a. gewesen, „Bombenschäden“ zu regulieren und er habe die „Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeiterlager beaufsichtigt“, schreibt der Leiter des Erich Maria Remarque-Friedenszentrums.

Petermann war dann auch für die elenden Lebensbedingungen der Zwangsarbeiter*innen und Kriegsgefangenen oder die von der Stadt Osnabrück für die Beseitigung der Kriegsschäden verpflichteten Gefangenen aus dem Konzentrationslager Neuengamme bei Hamburg mit zuständig. Einer der Vielen im Verwaltungsbetrieb, über die bis heute wenig bekannt ist.

Die Ausblendung der Täter*innen verdeckt zudem die breite Massenbasis der Unterstützer*innen im Nazi-System. Das Ausmaß der Beteiligung und die Einbindung bleibt weitgehend im Dunkeln und wird verdrängt. Das alltägliche Funktionieren und die Förderung des Nazi-Regimes, etwa in Wirtschaft, Vereinen, Verwaltung, bleiben unerkannt.

Auferstehung der Täter als Opfer und ihre „Ambivalenz“

In der Diskussion um das Wirken von Hans Georg Calmeyer wird die Verschränkung von Opfern und Täter*innen weiter getrieben. Ein juristischer Bürokrat wird zum „Judenretter“ stilisiert. Er soll, so die Intention der institutionalisierten örtlichen Erinnerungsvereinigungen, die Zwiespältigkeit und engen Handlungsspielräume in der Nazi-Zeit verdeutlichen.

Seine Doppelrolle als Retter soll seine Vorbildfunktion unterstreichen, während seine Funktion als Mit-Deporteur in die Vernichtungsstätten den Gegensatz zwischen Täter*innen und Opfern weiter nivelliert. Eine Entwicklung, die zuerst in der Nachkriegszeit in völkisch-nationalistischen und revanchistischen Kreisen etabliert, nun in zahlreichen gesellschaftlichen und politischen Bereichen ihre normalisierende Verbreitung erfahren hat. Das Bild und die Erzählung des Deutschen als Opfer, war bereits früh von den Nazi-Propagandist*innen im Gewand der Drohung der „Siegerrache“ geboren worden. Mittlerweile wird das stereotype Sinnbild der „Optionen des Handelns“ bemüht, das behauptet, Handlungsmöglichkeiten seien begrenzt, das Mitmachen und die Unterstützung der Diktatur sei unvermeidlich gewesen – ein Hohn gegenüber den internationalen Widerstandskämpfer*innen und den Befreier*innen. Es werden bewußt indifferente bürgerliche Protagonisten wie der „Oskar Schindler Osnabrücks“ hervorgehoben, während das rare antifaschistische Engagement und Handeln ausgeblendet bleibt, wie die Calmeyer-Rehabilitierung verdeutlicht, der bereits 1989 mit einem nach ihm benannten Platz geehrt wurde.

Mathias Middelberg, einer der Calmeyer-Biographen, gleichzeitig ein konservativer Osnabrücker CDU-Spitzenpolitiker, gefällt sich als geschichtsbewußter Erinnerungsrevisionist, der gleichzeitig das repressive EU-Außengrenzregime lobt und die mörderische Abschottungspolitik voran treibt. Als bürgerlicher Haushaltspolitiker fördert er die neoliberale Umverteilungspolitik zu Lasten der sozialen Sicherungssysteme.

Die Osnabrücker Lokalparteien, von der konservativen CDU über die staatskonforme SPD zu den Grünen, waren sich einig, für den nach Calmeyer benannten Erinnerungsort im ehemaligen NSDAP-Hauptquartier neben dem Felix-Nussbaum-Museum zu trommeln.

Erst konsequente Einsprüche von Historiker*innen, Antifaschist*innen und Überlebendenverbänden aus den Niederlanden konnten die von der Stadt und ihren Amtsträger*innen heftig verteidigte Namensgebung verhindern. In der überregionalen Presse wurde die Inszenierung des Osnabrücker Forums für Erinnerungskultur und die Verwandlung des „NS-Rassereferenten“ zum „Musterdemokraten“ und „Widerständler“ mit Befremden aufgenommen. Übrig bleibt ein „Lernort für Demokratie“ im ehemaligen Osnabrücker Hauptquartier der NSDAP, in dem Nazigegner drangsaliert wurden. Das Gebäude, nun neutralisierend als „Villa_“ benannt, wird seiner Nazi-Geschichte entrückt. Verpasst wurde die Möglichkeit, einen zentralen Dokumentationsort für die Nazi-Geschichte und ihre Folgen in Osnabrück aufzubauen, mittlerweile eine Selbstverständlichkeit in vielen anderen vergleichbaren Städten.

Krieg im Frieden

Erinnert wurde in den 1980er Jahren entgegen dem Widerstand konservativer Kräfte, etwa aus der CDU, an den liberalen Exilschriftsteller Erich Maria Remarque. Er fügt(e) sich mit seinem Antikriegsroman Im Westen nichts Neues fast idealtypisch in das Konzept der Friedensvermarktung der Stadt Osnabrück und seiner Anknüpfung an den Westfälischen Frieden ein.

Osnabrück war seit der Industrialisierung eine Rüstungsstadt. Immer, wenn die zivilen Märkte nicht den gewünschten Mehrwert aus der Arbeit auspressen konnten, wurde für den nationalen Expansionskrieg produziert, spätestens ab den 1930er Jahren in der homogenisierten Volksgemeinschaft. Mit Kriegsbeginn erhielten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter die Produktion aufrecht. Ihre Ausbeutung war mit dem Konzept der „Vernichtung durch Arbeit“ im Universum der Vernichtungs-, Konzentrations- und Arbeitslager verbunden.

1945, in der von Staat und Kapital ausgerufenen ‚Stunde Null‘ schließlich, die von der Bevölkerung gerne aufgegriffen wurde und wird, fertigt ‚Volkswagen‘ statt dem Wehrmacht-Kübelwagen nun, baugleich mit leichten Veränderungen, den ‚zivilen‘ Käfer.

Das Osnabrücker Unternehmen der Familie Karmann stellt gleichfalls von der Produktion von Flugzeugteilen für die deutsche Luftwaffe wieder auf die Autoproduktion um. Sie geht gestärkt aus der beschworenen ‚Kriegskatastrophe‘ hervor. 2025 wird abermalig eine gewinnträchtige Konversion beschworen. Die nicht mehr profitable Autoproduktion soll nun durch diejenigen Waren der Rüstungsschmiede Rheinmetall ersetzt werden, die in der ‚Friedensstadt‘ investieren möchte. Die Arbeiter*innen sollen sich über die Erhaltung der versprochenen Niedriglohnausbeutungsplätze freuen. Kapitalisten und Finanzindustrie jubilieren, die unpolitisch servilen Gewerkschaften fordern allenfalls einen Mindestausbeutungslohn. Im November 2023 verkündete der beliebte SPD-Minister Pistorius, dass Deutschland „kriegstüchtig“ werden müsse. Eine Forderung, um in der nationalstaatlichen Konkurrenz zu bestehen und den imperialen Gegnern im täglichen Handelskrieg entgegen zu treten.

Dagegen ist daran zu erinnern, dass die „sogenannte freie Welt an ihrem eigenen Begriff zu messen“ sei. Sich „kritisch zu ihr zu verhalten und dennoch zu ihren Ideen zu stehen, sie gegen Faschismus Hitlerscher, Stalinscher und anderer Varianz zu verteidigen, ist Recht und Pflicht jedes Denkenden“, wie Max Horkheimer in den 1960er Jahren pointiert formuliert hat.

Gedenken hat nur eine Konsequenz aus dem Leiden der Opfer zu ziehen: Alles dafür zu tun, dass Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts ähnliches geschehe.

Befreiung feiern bedeutet, sich organisiert gegen jegliches Schlussstrich-Gerede zu wenden, heißt auch, der zunehmenden Kriminalisierung antifaschistischen Widerstands und allen Formen des Antisemitismus und Rassismus entgegen zu treten.

Wir gedenken der Opfer des NS-Terrors und der Wehrmachtsverbrechen!

Wir erinnern an den Schwur von Buchenwald, in dem es heißt:

„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“

Kritischer Stadtrundgang – 80. Jahrestag der Befreiung?

27. April 2025, Start 16 Uhr Rathaus, ca. 2 Std. Dauer

„…wir haben doch von nichts gewußt!“ hieß es 1945 und in den Folgejahrzehnten. In Diskussionen und Medien wurde und wird die Parole von der „Stunde Null“ verwendet. Bereits im Januar 1945 – noch vor Kriegsende – sprach ein evangelischer Theologe in Basel vom „Nullpunkt“, vor dem die deutsche Bevölkerung stehe. Der Bürgermeister von Bremen forderte im Dezember 1945 gleichfalls einen „völligen Neuanfang“.

Vermischt wurden dabei – nicht durch Zufall – Erfahrungen und Tatsachen mit Legenden zu einem harmonischen Mythos. Auf das Konstrukt vom angeblichen historischen Bruch bei tatsächlicher weitgehender Kontinuität beriefen sich große Teile der Bevölkerung wie auch ganze Berufsgruppen.

Wurde in der DDR der 8. Mai 1945 als »Tag der Befreiung vom Faschismus« gefeiert, wird in der BRD von Kapitulation und Zusammenbruch gesprochen, wie etwa bei der Weizsäcker-Rede zum 8. Mai 1985. Gleichzeitig hat sich mit der „Wiedergutwerdung der Deutschen“ (Eike Geisel) eine staatlich subventionierte kritiklose Gedenkpolitik etabliert. Die Wähler*innen der neo-faschistischen Parteien und Organisationen bis hin zu konservativen Kräften fordern einen „Schlussstrich“, sprechen vom „Vogelschiss“. Sie relativieren antifaschistisches Gedenken.

Kontinuitäten in Osnabrück

Die Deportationen der jüdischen Bevölkerung, hieß es, hätten ohne Wissen der Bevölkerung, bei „Nacht und Nebel“ stattgefunden. Orte wie die Pottgraben-Schule, ein Deportationsort, der Gestapo-Keller im Schloß, die zerstörte Synagoge befanden sich mitten in der Stadt. Dass Osnabrücker Jüdinnen und Juden von Nachbarn geholfen wurde, dass sie versteckt und vor der Deportation bewahrt wurden, ist nicht bekannt. Keine*r riskierte sein Leben für jüdische Menschen.

Bereits nach der Befreiung Osnabrücks wurden die wenigen jüdischen Überlebenden erneut mit antisemitischen Angriffen konfrontiert, die Scheiben der jüdischen Schule eingeworfen und antisemitische Parolen skandiert.

Das antisemitische Ressentiment ist niemals verschwunden. Es ist heute verbunden mit antizionistischen Angriffen gegen Israel, den einzigen Staat, der jüdisches Leben schützt.

In Osnabrück gibt es keinen umfassenden Erinnerungsort zur Nazi-Geschichte. Im Gegenteil: Viele historische Stätten werden von der aktuellen Nutzung bestimmt, verbergen ihre Rolle in der Nazi-Zeit. Das städtische Marketing konzentriert sich auf zweifelhafte Repräsentanten, wie die Diskussion um das Wirken Hans Calmeyers und die eröffnete Villa_  zeigt.

An historischen Stätten geben wir einen kritischen Einblick in die allgegenwärtige Verfolgung, Drangsalierung, Erfassung und „Arisierung“, Vertreibung und Vernichtung wie auch auf die Täter*innen und weisen auf die Kontinuitäten hin.

Orte nationalsozialistischer Gewalt – Kritischer Stadtrundgang, Freitag, 04.11.2022, 16:00 Uhr

Orte nationalsozialistischer Gewalt – Kritischer Stadtrundgang

Ausgehend vom Osnabrücker Schloß – einem zentralen Gebäude der Uni – stellen wir wesentliche Orte der NS-Stadtgeschichte in einem Rundgang vor. Bisher stecken die Untersuchungen zur Zeit des Nationalsozialismus und seinen Folgen in Osnabrück in den Anfängen oder sie konzentrieren sich auf zweifelhafte Repräsentanten, wie die Diskussion um das Wirken von Hans Calmeyer gezeigt hat.

Nazi-Kundgebung aus dem Ledenhof, Osnabrück

Wir versuchen dagegen an historischen Stätten einen kritischen Überblick über die allgegenwärtige Verfolgung, Drangsalierung, Erfassung und Arisierung, Vertreibung und Vernichtung, wie auch auf die Täter*innen zu geben und auf die vielfältigen Kontinuitäten hinzuweisen.

Der Rundgang findet am Fr. 04.11.2022 zwischen 16:00 bis ca.18:00 Uhr statt.
Treffpunkt: Café Mano Negra, Alte Münze 12, gegenüber dem AStA

Organisiert vom Café Mano Negra & der Geschichtswerkstatt regionale Täterforschung Osnabrück im Rahmen der Kritischen Erstiwochen 2022 der Linken Hochschulgruppe die Kleinen Strolche

Heinrich Bogula (1903–1976) – Antifaschist und Spanienkämpfer

Emil Heinrich Bogula wird am 23. August 1903 in Osnabrück als Sohn des Stuckateurs Heinrich Bogula geboren. Bei seiner Geburt wohnen die Eltern in der Osningstraße 3, 1905 ziehen sie in die Jahnstraße 13 um.

KPD und Ruhrgebiet

Weitere Spuren der Familie Bogula in Osnabrück konnten bisher nicht recherchiert werden. Heinrich Bogula verschlägt es in den 1920er Jahren in die Ruhrgebietsmetropole und Arbeiter*innenhochburg Dortmund. Er arbeitet als Schlosser und ist zu dieser Zeit politisch sehr aktiv: Gleichzeitig Mitglied der KPD, des Roten Frontkämpferbund (RFB), einer Schutz- und Verteidigungsorganisation der KPD in der Weimarer Republik, sowie der Roten Hilfe. Gewerkschaftlich ist er in der Revolutionären Gewerkschafts-Opposition (RGO) organisiert, die ein Gegengewicht zu den Freien Gewerkschaften bildet.

Faschismus und Haft

Sein Engagement und seine Parteizugehörigkeit bringen ihn nach der Machtübergabe an den deutschen Faschismus in die Fänge des politischen Gegners. Zwischen April 1933 und November 1934 wird er im Polizeigefängnis Dortmund, der sogenannten Steinwache, inhaftiert, die auch als „Hölle Westdeutschlands“ bekannt wird. Sie gehört zu den berüchtigten frühen Nazi-Folterstätten.

Flucht aus Nazi-Deutschland

Nach seiner zwischenzeitlichen Entlassung flieht Bogula in das Saargebiet, das seit dem Ende des Ersten Weltkrieges unter dem Mandat des Völkerbundes und unter französischer Verwaltung steht. Im Januar 1935 votiert die Bevölkerungsmehrheit in einer Abstimmung für den Anschluß an Nazi-Deutschland. Nun muß Bogula wie viele andere Verfolgte erneut fliehen. Er geht nach Frankreich und wird dort mehrmals inhaftiert, vermutlich weil er illegal ohne Papiere unterwegs ist und als unerwünschter Ausländer gilt.

Spanien – Revolution und Krieg

Von Paris aus scheint Bogula seine Fahrt nach Spanien angetreten zu haben, zunächst mit dem Ziel, an der Arbeiter*innenolympiade in Barcelona teilzunehmen, die für Mitte Juli 1936 als Protest- und Gegenveranstaltung zu den Olympischen Spielen in Nazi-Deutschland geplant ist. Sie wird jedoch kurz nach ihrem Beginn durch den Putsch der Militärs und ihrer Unterstützer*innen am 18. Juli 1936 abgebrochen. Die überwiegend in der Arbeiter*innenbewegung organisierten Teilnehmer*innen schließen sich aus Solidarität der katalanischen Bevölkerung an, die den Putschist*innen bewaffnet entgegen tritt. Die von den putschenden Militärs besetzten Kasernen werden gestürmt, Barrikaden zur Sicherung errichtet. Der Putsch kann dort und in weiteren Regionen nach heftigen Kämpfen zurückgeschlagen werden.

Der Sieg der Republik stellt die seit Längerem ungelöste soziale Frage in Spanien wieder auf die Tagesordnung. Die mehrheitlich in der anarchistisch-syndikalistischen CNT (Confederación Nacional del Trabajo) organisierten Landarbeiter*innen und Proletarier*innen bemächtigen sich der Betriebe und der staatlichen Institutionen. Gleichzeitig behaupten sich die Putschisten in einzelnen Regionen. Sie bedrohen, durch Nazi-Deutschland und das faschistische Italien politisch unterstützt, überdies mit Kriegsmaterial und Truppen verstärkt, die republikanischen Zentren des Landes. Hiergegen bilden die Arbeiter*innenorganisationen antifaschistische Milizen, um den Aufstand zu niederzuschlagen.

Milizen: Kolonne Durruti

Heinrich Bogula schließt sich, trotz seiner kommunistischen Zugehörigkeit, der anarchistischen Kolonne Durruti an, die nach dem Metallarbeiter und Anarchisten Buenaventura Durruti (1896–1936) benannt ist. Sie zieht am 23. Juli 1936 zu der am Ebro gelegenen aragonesischen Stadt Zaragoza, die sich in der Hand der Militärputschisten befindet. Die Kolonne Durruti, der auch eine internationale Gruppe mit deutscher Beteiligung beitritt, kann jedoch trotz verlustreicher Belagerung die strategisch wichtige Stadt nicht einnehmen. Bogula gehört somit zwischenzeitlich zu den rund 250 deutschen Freiwilligen, die auf Seiten der CNT und FAI (Federación Anarquista Ibérica) kämpfen.

Internationale Brigaden

Das von den Gewerkschaften und Parteien im Sommer 1936 aufgebaute Milizsystem wird bald wieder staatlich zentralisiert. Die ausländischen Freiwilligen werden, sofern sie nicht ausdrücklich in einer spanischen Einheit bleiben wollen, in den im Oktober 1936 aufgestellten Internationalen Brigaden zusammengeführt.

Heinrich Bogula ist nun in der ersten Internationalen Brigade organisiert, der 11. Brigade. Er gehört dem Thälmann-Bataillion an, das nach dem in Nazi-Deutschland inhaftierten Vorsitzenden der KPD Ernst Thälmann (1886–1944) benannt ist.

Bogula ist an den Kämpfen um Madrid (Winter 1936) und bei Teruel (Dezember 1937 bis Ende Februar 1938) beteiligt. Zuletzt soll er im Rang eines Oberleutnants gestanden haben und politischer Kommissar einer Kompanie gewesen sein. Bogula bleibt trotz des durch den Druck der faschistischen Interventionsmächte erzwungenen offiziellen Rückzugs der Internationalen Brigaden im Oktober 1938 in Spanien. Bis Mitte März 1939 ist er an der Verteidigung Kataloniens und den damit verbundenen verlustreichen Rückzugskämpfen am Ebro, dem ‚Zweiten Einsatz‘ der Internationalen Brigaden beteiligt. Mehrfach verwundet, verlässt er Spanien als staatenloser Flüchtling.

Flüchtling und Gefangener in Frankreich

Ähnlich wie mehrere Tausend seiner Genossin*innen ist Bogula der Willkür der französischen Armee und Polizei ausgeliefert, die die Flüchtlinge in Südfrankreich in einer „Zone der Ungewißheit“ auf Ödlandflächen konzentriert und inhaftiert. Dort entstehen Lager, die von den Gefangenen unter widrigen Bedingungen selbst errichtet werden müssen, um ihr Überleben organisieren zu können.

Er ist in mehreren dieser Lager gefangen, zuerst nahe der spanisch-französischen Grenze in dem Internierungslager in Argelès-sur-Mer, darauf in dem Sammellager Gurs, einem camp semi-répressifs für zu überwachende Ausländer*innen in Südwest-Frankreich. Dort sind im Juni 1939 über 15.000 gefangene Spanienflüchtlinge und Kämpfer*innen der Internationalen Brigaden interniert, darunter ca. 1.200 Deutsche und Österreicher*innen. Im Sommer 1940 befindet sich Bogula schließlich in Le Vernet, einem südlich von Toulouse gelegenen ‚camp disciplinaire’ der französischen Polizei für in Frankreich „unerwünschte Ausländer. Unter ihnen befindet sich auch der Spanienreporter und Schriftsteller Arthur Koestler. Von dort wird Bogula in das Geheimgefängnis des Vichy-Regimes mit der Tarnbezeichnung Baraque 21 in Castres bei Toulouse verschleppt. Auch hier befinden sich ebenfalls zahlreiche Spanienkämpfer*innen.

Die Unterzeichnung des deutsch-französischen Waffenstillstandsabkommen am 22. Juni 1940 bedeutet für die inhaftierten deutschen Flüchtlinge, daß sie auf Verlangen der deutschen Reichsregierung nach Nazi-Deutschland ausgeliefert werden können (Artikel 19). Der Norden Frankreichs ist von deutschen Truppen besetzt, während die Südhälfte von dem mit den Nazis kollaborierenden Vichy-Regime verwaltet wird. Die Flüchtlingslager sind oftmals das Ziel von Fahndungen und Durchsuchungen durch die Gestapo (Geheime Staatspolizei), die politische Flüchtlinge und Gegner*innen aufzuspüren hofft.

Zwischenzeitlich veröffentlicht der Deutsche Reichsanzeiger am 23. August 1940, daß Heinrich Bogula „der deutschen Staatsangehörigkeit für verlustigt“ erklärt wird. Die Gestapo fahndet, wie in ihrem Verzeichnis der „flüchtigen Kommunisten und Marxisten“ 1937 und 1938 aufgeführt, nach ihm.

Kommunistische Internationale und die Spanienkämpfer*innen

Zwischen 1939 und 1941 werden die Personalakten, die in der Basis der Internationalen Brigaden (IB) in Albacete über die Teilnehmer*innen am Krieg in Spanien angelegt wurden, von der Kaderabteilung der exilierten Spanischen Kommunistischen Partei (PCE) und der Kommunistischen Internationale (Komintern, KI) in Moskau ausgewertet. Der Leiter der Spionageabwehr der IB, der deutsche Kommunist Gustav Szinda (1897–1988), verwendet in seinen Charakteristiken nicht nur biografische Angaben und Einschätzungen, sondern bewertet – überwiegend in denunziatorischer Weise – die Persönlichkeiten der Kämpfer*innen.

In seinem Memorandum vom 2. Februar 1940 über Heinrich Bogula heißt es u. a., er sei nicht Mitglied der Kommunistischen Partei gewesen, da er im Exil „1934 aus der KPD wegen Unterschlagung ausgeschlossen“ worden sei. Im Juli 1936 sei er nach Spanien gekommen und habe der Kolonne Durruti angehört. Militärisch sei über ihn „nichts bekannt“. Er habe sich „längere Zeit in Barcelona herum[getrieben]“. Während der Kämpfe „des Mai-Putsches der POUMisten“ zwischen den verschiedenen politischen Parteien auf der republikanischen Seite „gehörte [er] den Terroristen und Verbrecherkreis an“, welche einen republikanischen Kommandanten erschossen haben sollen. Bogula sei „ein degeneriertes Element, welches aller verbrecherischen Schandtaten fähig“ sei. Bei ihm sei „auch weiterhin äusserste Vorsicht am Platze“.

Auslieferung – Odyssee im Universum der Konzentrationslager

1942 wird Heinrich Bogula vom Vichy-Regime an die Gestapo ausgeliefert und in Paris inhaftiert. Im August 1943 wird er in das Konzentrationslager Dachau deportiert. Er erreicht am 27. August 1943 als „Schutzhäftling“ Nr. 50546 das Lager. Anfang September wird er in das in den Vogesen gelegene Konzentrationslager Natzweiler/Struthof transportiert. Dort werden die Häftlinge sowohl in den nahe gelegen Steinbrüchen zur Zwangsarbeit eingesetzt, sie werden aber auch in über fünfzig Außenlagern in Südwest-Deutschland von der SS an ‚kriegswichtige‘ Unternehmen ausgeliehen. Im November 1944 wird das Konzentrationslager Natzweiler/Struthof wegen der Erfolge der militärischen Offensive der Alliierten aufgelöst.

Ein Teil der Gefangenen wird auf Todesmärschen erneut in das Konzentrationslager Dachau gezwungen, das Bogula im September 1944 erreicht. Ab Mitte Januar 1945 wird er der XIII. SS. Bau-Brigade zugewiesen, die in einem „KZ auf Schienen“ in bewachten Eisenbahnwaggons am Bahnhof Limburg an der Lahn inhaftiert waren. Sie müssen unter Lebensgefahr während der alliierten Luftangriffe zerstörte Gleisanlagen reparieren. Ende Januar befindet er sich erneut auf einem Transport in den Süden Deutschlands, wiederum in das Konzentrationslager Dachau und seiner zahlreichen Nebenlager.

Befreiung und Leben in der DDR

Ende April 1945 wird Heinrich Bogula von heranrückenden Einheiten der US-Armee befreit. Im Mai 1946 zieht er aus der amerikanischen Besatzungszone in Bayern in die am nördlichen Rand des Erzgebirges gelegene sächsische Bergbaustadt Freiberg, die zu dieser Zeit unter sowjetischer Verwaltung steht. Bogula ist wegen seiner Verwundungen aus dem Krieg in Spanien, der Zeit in den französischen Internierungslagern, in den deutschen Konzentrationslagern und der dort abzuleistenden Zwangsarbeit in schlechter gesundheitlicher Verfassung. Er wird zwar zum stellvertretenden Leiter der Kreispolizei in Freiberg ernannt, befindet sich jedoch im Gesundheitsurlaub. Zwischenzeitlich arbeitet er auch als Organisationsleiter der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) in Weimar. Er ist in der VVN organisiert und Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), die aus dem Zusammenschluss von SPD und KPD im sowjetischen Besatzungsgebiet hervorgeht. Von Januar bis Juli 1947 befindet sich Bogula in Wismar.

1950 stellt er an den Osnabrücker Hilfsausschuß für politische Gefangene und deren Angehörige einen Antrag auf Unterstützung. Der Kreissonderhilfsausschuß Osnabrück-Stadt, der auch für die Anerkennung von Haftentschädigungen zuständig ist, kommt in seiner Sitzung vom 21. Dezember 1950 zu dem Ergebnis, daß Heinrich Bogula keinen Anspruch auf Hilfszahlungen habe, da er nicht mehr in Osnabrück gemeldet sei.

Ab Mai 1951 ist Bogula beim Thüringschen Landesvorstand der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft beschäftigt, erkrankt aber erneut. Zwischenzeitlich wird ihm der Status als Opfer des Faschismus aberkannt, 1958 wird er „wegen unmoralischen Verhaltens“ aus der SED ausgeschlossen.

Das weitere Leben von Heinrich Bogula ist – soweit bekannt – von erneuten häufigen Ortswechseln gekennzeichnet, die ihn von Weimar (1951) nach Karl-Marx-Stadt (1956) und schließlich nach Pasenow im Kreis Strasburg (1966 bis 1970) führen.

Heinrich Bogula stirbt am 9. Juli 1976 im Alter von 73 Jahren in Mildenitz im Kreis Strasburg in der Uckermark.

Quellen und Literatur:

Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde (SAPMO)

Niedersächsisches Landesarchiv – Standort Osnabrück

Deutscher Reichsanzeiger, Nr. 197, 23.08.1940

Werner Abel, Enrico Hilbert: „Sie werden nicht durchkommen“. Deutsche an der Seite der Spanischen Republik und der sozialen Revolution. Bd. 1. Lich: Edition Av, 2015, S. 75.

Michael Uhl: Die internationalen Brigaden im Spiegel neuer Dokumente. In: Internationale wissenschaftliche Korrespondenz (IWK) 1999, Nr. 4, S. 486-518.

 

Die  Biografie von Heinrich Bogula wurde zuerst im Rahmen der Ausstellung UPTHEREPUBLIC. Literatur und Medien im Spanischen Krieg (1936–1939) vorgestellt, die vom 23. November 2006 bis zum 31. Januar 2007 in der Universitätsbibliothek der Universität Osnabrück statt fand. Sie wurde jedoch nicht in den die Ausstellung begleitenden Katalog aufgenommen. Der obige Text ist eine überarbeitete Fassung.

Für Anmerkungen verweisen wir auf unsere Mail-Adresse.