Die Nazi-Zeit in Osnabrück und die Erinnerung

Die Osnabrücker Politik des Erinnerns an den deutschen Faschismus ist von zahlreichen Besonderheiten gekennzeichnet. Gleichzeitig fügt sie sich umstandslos in das nationale Projekt der „Wiedergutwerdung der Deutschen“ (Eike Geisel) ein. Ihnen soll aus Anlass des 80. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus nachgegangen werden.

Gedenken

Das betriebsam gedenkende Deutschland widmete sich mit Verve den ermordeten Juden. Später folgten zögernd sukzessive weitere verfolgte, bis in die Gegenwart von der Mehrheitsgesellschaft geächtete und diskriminierte Opfergruppen: Sinti und Roma, Homosexuelle und queere Menschen, die Ernsten Bibelforscher, die sich auch Zeugen Jehovas nannten, sogenannte ‚Asoziale‘, Bettler*innen, Arbeitsverweigerer*innen, Alkoholiker*innen und ‚befristete Vorbeugungshäftlinge‘, die als ‚Berufsverbrecher‘ kategorisiert wurden oder wegen ihres „unmoralischen“ und „asozialen“ Lebenswandels der „vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“ den Behörden ausgeliefert waren. Körperlich und geistig Behinderte wurden sterilisiert oder ermordet. Die Überlebenden saßen in Entschädigungsverfahren ihren Nazi-Ärzt*innen, Richtern und Peinigern erneut gegenüber.

Widerstand

Erst vor kurzem wurden Wehrmachts-Deserteure als Verfolgte anerkannt, während sich die Wehrmachtsoffiziere, die den Attentatsversuch auf Hitler am 20. Juli 1944 unternahmen, in die antikommunistische Formierung und militaristische Aufrüstung des Nachkriegs-Westdeutschlands nahtlos einfügten und als vermeintliche Vorbilder für Widerstand und Demokratie herausgestellt wurden. Ebenfalls um Anerkennung zu kämpfen hatten ehemalige politische Gefangene, Gewerkschafter*innen, Sozialdemokrat*innen und bürgerliche Widerständler*innen, aber besonders Kommunist*innen. Sie saßen nach dem KPD-Verbot Mitte der 1950er Jahren erneut in Haft. Ende der 1960er Jahren wurden sie Dank des von der SPD mit initiierten ‚Radikalenerlasses‘ aus dem öffentlichen Dienst verbannt und in den Jahresberichten der Verfassungsschutzbehörden als Staatsfeinde geführt.

Mehrere tausend organisierte Widerstandskämpfer*innen in den Internationalen Brigaden und weitere linkskommunistische und anarchistische Einheiten, die gegen den Spanischen Franquismus und die deutsch-italienische Intervention in Spanien kämpften, wie auch die gegen den deutschen Vernichtungskrieg organisierte europäische Résistance werden bis heute nicht durch den staatlichen ‚Erinnerungsweltmeister‘ gewürdigt, noch wurden sie nach 1945 materiell unterstützt. Hierfür seien die jeweiligen Regierungen in den Ländern, in denen die Widerständler*innen gekämpft hätten, zuständig, verdeutlichte die Bundesregierung ihr Verständnis des antifaschistischen Widerstands. Hier macht die Friedensstadt Osnabrück keine Ausnahme.

Entschädigungsalmosen

Deutsche Konzerne wurden erst in den 1990er Jahren und infolge der Annexion der DDR durch US-amerikanische Initiativen und Klagen gezwungen, minimale Entschädigungen für geleistete Zwangsarbeit zu zahlen. Bis heute ist das Maß alltäglicher Zwangsausbeutung von verschleppten ‚Zivil‘- und Zwangsarbeiter*innen und Kriegsgefangenen in der Nazi-Zeit in allen gesellschaftlichen Bereichen nicht erkannt. Im ländlichen Raum auf jedem Hof und in den Städten in jedem Betrieb zur Arbeit gezwungen, taucht diese in der unmittelbare Nachbarschaft jede*r Bürger*in stattgefundene faschistische Missachtung der Menschenwürde und menschlicher Leben in keiner regionalen erinnerungskulturellen Erzählung auf.

Rituale

Gleichzeitig wurde bei allem Gedenken schnell deutlich, dass es vor allem um die eigene deutsche Befindlichkeit und Machtposition geht, um seine europäischen und weltweiten Ambitionen weiter verfolgen zu können. Zu den Ergebnissen dieser immer wieder abgespulten, hochtrabenden Inszenierung gehören die von staatlichen bis zu kommunalen Institutionen ohne jedes historische Verstehen gehaltenen ritualisierten Gedenkreden, garniert mit hoheitlichen Kranzabwürfen an festen Terminen, arrangiert mit betroffenem Minenspiel und beschallt von salbungsvollen Festreden. Im Anschluss an die Betroffenheit wird vielerorts direkt zur Tagespolitik übergegangen, in der die allgemeingültige Menschenwürde parteiübergreifend zunehmend wieder an Nationalität und Ethnie festgemacht wird. Fehlanzeige beim historischen Lernen.

Funktionalisierende Erinnerung

Nicht nur dem Frieden soll die Erinnerung in der selbsternannten und autorisierten Friedensstadt Osnabrück dienen. Sie führe zu Auseinandersetzungen an den ehemaligen Tatorten und habe ein Gedenken und Erinnern ermöglicht, welches mittlerweile alltägliche Praxis sei. Soweit die Wunschvorstellung der parteiübergreifenden Selbstvergewisserung.

Schauen wir etwas genauer hin, was mit dieser Täuschung verdeckt wird.

Abgeschaffter Antifaschismus

Kaum einem Nazi ging es an den Kragen. Die Entnazifizierungs-Ausschüsse kapitulierten rasch gegen die Flut von Täter*innen und Mitläufer*innen, zumal die Westalliierten schnell ihr kurzzeitiges Verfolgungsinteresse gegen das nun wieder aktualisierte antikommunistische Ressentiment tauschten und Nazi-Verbrecher*innen in die Nachkriegsgemeinschaft integrierten. Eine Eingliederungsleistung, die auch in der DDR offensiv verfolgt wurde. Dort wurden die Wehrmachts-Kriegsverbrecher ebenso wie in der BRD für die Nachfolgestreitkräfte dringend benötigt.

In allen gesellschaftlichen Bereichen wurde statt des Bruchs die Kontinuität favorisiert. Minimalstrafen standen Karrieren und wirtschaftlichem Auskommen nicht im Wege. Der Morddienst während des Vernichtungskriegs in der Wehrmacht wurde mit Renten- und Pensionsansprüchen vergütet. Staatliche, kommunale und private Formen der Enteignung und die Arisierung jeglicher Art von Besitz wurden legitimiert. Auch hier mussten Verfolgte und Geflohene den entwürdigenden Weg der Klage und in Konfrontation mit den Verwerter*innen, Nutznießer*innen und Täter*innen antreten. Ein verschwindend geringer Anteil von führenden Täter*innen wurde überhaupt belangt, millionenfaches Morden und Körper verletzen sowie Kompliz*innenschaft bleiben bis heute ungestraft.

Die Emslandlager

Im strukturschwachen Emsland befanden sich, neben dem nahe München gelegenen Konzentrationslager Dachau, die größten frühen Nazi-Konzentrationslager: Neusustrum, Börgermoor und Esterwegen. Dort wurden direkt nach der Machtübergabe an die Nazis besonders politische Gefangene, aber auch zahlreiche weitere verfolgte Gruppen inhaftiert. Der Lagerkomplex wurde bis zur Befreiung kontinuierlich für weitere Gefangenengruppen wie Justiz- und Kriegsgefangene ausgebaut, immer neue Lager geschaffen: am Ende waren es dort ganze 15 Lager. Ein Teil der Gefangenen wurde aus den emsländischen Lagern nach Osnabrück zur Zwangsarbeit auf dem Piesberg, beim Bombenräumen und in der Beseitigung von Trümmern gezwungen.

In den Emslandlagern begannen zahlreiche Nazi-Täterkarrieren und die Ausbildung für das massenhaft benötigte Mordpersonal zur Entwicklung und Perfektion des Universums der Konzentrations- und Vernichtungslager. Initiativ an der Errichtung der frühen Konzentrationslager beteiligt waren der Osnabrücker Regierungsrat und Regierungspräsident Bernhard Eggers, der Osnabrücker Oberbürgermeister Erich Gaertner und sein Stab in der Stadtverwaltung. Die Osnabrücker Schutzpolizei und SS-Mannschaften waren als Wachpersonal vertreten.

Die Erinnerung an die Lager wurde zuerst durch die ehemaligen Häftlinge, etwa das Komitee der Moorsoldaten und ab den 1980er Jahren in Zusammenarbeit mit der Initiative des DIZ (Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager) wach gehalten. Es entstanden ein Archiv mit zahlreichen Erinnerungen und Dokumenten zur Lagergeschichte und die Veröffentlichung grundlegender wissenschaftlicher Schriften in der DIZ-Schriftenreihe. Seit November 2011 ist die Dauerausstellung in der neuen Gedenkstätte Esterwegen zugänglich. Mittlerweile musste das DIZ-Archiv und seine Sammlung aus der Gedenkstätte weichen und in Papenburg eigene Räumlichkeiten beziehen, um seine Arbeit fortsetzen zu können.

Der Kampf und das Engagement der Häftlinge der Emslandlager, einige kamen direkt aus Osnabrück und kehrten nach 1945 auch hierher zurück, spielen in der lokalen Erinnerungskonzeption keine Rolle.

Erinnerungspolitik in Osnabrück

Ein weiterer Schritt, die eigene Beteiligung an der Nazi-Herrschaft zu relativieren, bestand in der Pflege der Halluzination eines Daseins als Opfer. Hierbei stehen die alliierten Luftangriffe, das britische und amerikanische „Vernichtungswerk“ und die Zerstörung der Stadt durch den „alliierten Bombenterror“ im Vordergrund. Eine Formulierung, die bereits die Nazi-Propaganda ausgiebig zur Durchhalteparole wendete und die gerne von der Bevölkerung aufgegriffen wurde. In Osnabrück wird der Ostersonntag des 25. März 1945 ungebrochen als lokal herausragendes Ereignis beschworen.

Das städtisch subventionierte Erich Maria Remarque-Zentrum hat diese Strategie nun unter den Leitmotiven „Schutt“ und „Demokratie“ aktualisiert. In Berlin steht eine ähnliche Ausstellung unter der Losung „Mit Trümmern Träume bauen“.

In der Osnabrücker Ausstellung werden mehrere Gemälde gezeigt, die die Zerstörungen des ‚Bombenterrors‘ zum zentralen Thema haben. Zwar weist eine Tafel mit einer Fotografie auf die Zwangsarbeiter und KZ-Gefangenen hin, die von der Osnabrücker Stadtverwaltung zum Bomben- und Schutträumen verpflichtet wurden, näheres erfahren die Besucher*innen aber nicht.

Quellen wie die Erinnerungen des kommunistischen Widerstandskämpfers Fritz Bringmann (1918–2011), der in mehreren Konzentrationslagern, darunter Sachsenhausen und Neuengamme, inhaftiert war, werden nicht zitiert. Bekannt sind sie uns überhaupt nur durch antifaschistische zivilgesellschaftliche Erinnerungsarbeit. Sie könnten einen Eindruck des Schreckensregime und der Alltäglichkeit des Arbeitseinsatzes vermitteln. Zwischenzeitlich wurde Bringmann in Osnabrück in der 2. SS-Baubrigade zu Bomben- und Schutträumungen herangezogen. Er berichtet als Sanitäter der Brigade von Misshandlungen und Erschießungen durch die Bewacher. Während Bringmann und weitere Familienangehörige in der Geburtsstadt Lübeck wenigstens am Lebensende für ihr antifaschistisches Engagement geehrt wurden, erfuhr er in Osnabrück keine öffentliche Anerkennung.

Die Eindrücke der ‚Osnabrücker Opfer‘ stehen auch in der die Ausstellung begleitenden Broschüre „… Die Geburtsstunde der Demokratie“ prominent im Vordergrund. Hier geht es um die „völlig zerstörte Stadt“, der die „Siegermächte“ die Freiheit aufgenötigt hätten. Die „Widerständler und Demokraten“ dagegen werden als unbedeutend und zu vernachlässigen marginalisiert. Sie seien „längst ermordet“, noch „im KZ gefangen oder ins Ausland geflohen“ und „auf Nimmerwiedersehen verschwunden“, heißt es im Vorwort der Broschüre, die u.a. von dem Leiter des Erich Maria Remarque-Zentrums, verfasst wurde.

Ohne die ehemaligen Nazis sei der Aufbau der Stadt nach dem Krieg in der Verwaltung nicht möglich gewesen, so eine weitere Behauptung. Statt des überzeugten Nazis und ehemaligen Oberbürgermeisters Gaertner, Mitglied in der SA und NSDAP, wird der Jurist und Volkswirt Johannes Petermann hervorgehoben und als geläuterte Identifikationsfigur angeboten. Er wurde erst von den Briten zum Oberbürgermeister, später zum Regierungspräsidenten ernannt. Der ehemalige Zentrumspolitiker war in der Nazizeit zeitweise tatsächlich Vertreter von Gaertner in der Polizeibehörde gewesen. Er sei bei den Nazis als „Verwaltungsfachmann geschätzt“, aber „nicht linientreu genug“ gewesen. Sein Aufgabenbereich sei u.a. gewesen, „Bombenschäden“ zu regulieren und er habe die „Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeiterlager beaufsichtigt“, schreibt der Leiter des Erich Maria Remarque-Friedenszentrums.

Petermann war dann auch für die elenden Lebensbedingungen der Zwangsarbeiter*innen und Kriegsgefangenen oder die von der Stadt Osnabrück für die Beseitigung der Kriegsschäden verpflichteten Gefangenen aus dem Konzentrationslager Neuengamme bei Hamburg mit zuständig. Einer der Vielen im Verwaltungsbetrieb, über die bis heute wenig bekannt ist.

Die Ausblendung der Täter*innen verdeckt zudem die breite Massenbasis der Unterstützer*innen im Nazi-System. Das Ausmaß der Beteiligung und die Einbindung bleibt weitgehend im Dunkeln und wird verdrängt. Das alltägliche Funktionieren und die Förderung des Nazi-Regimes, etwa in Wirtschaft, Vereinen, Verwaltung, bleiben unerkannt.

Auferstehung der Täter als Opfer und ihre „Ambivalenz“

In der Diskussion um das Wirken von Hans Georg Calmeyer wird die Verschränkung von Opfern und Täter*innen weiter getrieben. Ein juristischer Bürokrat wird zum „Judenretter“ stilisiert. Er soll, so die Intention der institutionalisierten örtlichen Erinnerungsvereinigungen, die Zwiespältigkeit und engen Handlungsspielräume in der Nazi-Zeit verdeutlichen.

Seine Doppelrolle als Retter soll seine Vorbildfunktion unterstreichen, während seine Funktion als Mit-Deporteur in die Vernichtungsstätten den Gegensatz zwischen Täter*innen und Opfern weiter nivelliert. Eine Entwicklung, die zuerst in der Nachkriegszeit in völkisch-nationalistischen und revanchistischen Kreisen etabliert, nun in zahlreichen gesellschaftlichen und politischen Bereichen ihre normalisierende Verbreitung erfahren hat. Das Bild und die Erzählung des Deutschen als Opfer, war bereits früh von den Nazi-Propagandist*innen im Gewand der Drohung der „Siegerrache“ geboren worden. Mittlerweile wird das stereotype Sinnbild der „Optionen des Handelns“ bemüht, das behauptet, Handlungsmöglichkeiten seien begrenzt, das Mitmachen und die Unterstützung der Diktatur sei unvermeidlich gewesen – ein Hohn gegenüber den internationalen Widerstandskämpfer*innen und den Befreier*innen. Es werden bewußt indifferente bürgerliche Protagonisten wie der „Oskar Schindler Osnabrücks“ hervorgehoben, während das rare antifaschistische Engagement und Handeln ausgeblendet bleibt, wie die Calmeyer-Rehabilitierung verdeutlicht, der bereits 1989 mit einem nach ihm benannten Platz geehrt wurde.

Mathias Middelberg, einer der Calmeyer-Biographen, gleichzeitig ein konservativer Osnabrücker CDU-Spitzenpolitiker, gefällt sich als geschichtsbewußter Erinnerungsrevisionist, der gleichzeitig das repressive EU-Außengrenzregime lobt und die mörderische Abschottungspolitik voran treibt. Als bürgerlicher Haushaltspolitiker fördert er die neoliberale Umverteilungspolitik zu Lasten der sozialen Sicherungssysteme.

Die Osnabrücker Lokalparteien, von der konservativen CDU über die staatskonforme SPD zu den Grünen, waren sich einig, für den nach Calmeyer benannten Erinnerungsort im ehemaligen NSDAP-Hauptquartier neben dem Felix-Nussbaum-Museum zu trommeln.

Erst konsequente Einsprüche von Historiker*innen, Antifaschist*innen und Überlebendenverbänden aus den Niederlanden konnten die von der Stadt und ihren Amtsträger*innen heftig verteidigte Namensgebung verhindern. In der überregionalen Presse wurde die Inszenierung des Osnabrücker Forums für Erinnerungskultur und die Verwandlung des „NS-Rassereferenten“ zum „Musterdemokraten“ und „Widerständler“ mit Befremden aufgenommen. Übrig bleibt ein „Lernort für Demokratie“ im ehemaligen Osnabrücker Hauptquartier der NSDAP, in dem Nazigegner drangsaliert wurden. Das Gebäude, nun neutralisierend als „Villa_“ benannt, wird seiner Nazi-Geschichte entrückt. Verpasst wurde die Möglichkeit, einen zentralen Dokumentationsort für die Nazi-Geschichte und ihre Folgen in Osnabrück aufzubauen, mittlerweile eine Selbstverständlichkeit in vielen anderen vergleichbaren Städten.

Krieg im Frieden

Erinnert wurde in den 1980er Jahren entgegen dem Widerstand konservativer Kräfte, etwa aus der CDU, an den liberalen Exilschriftsteller Erich Maria Remarque. Er fügt(e) sich mit seinem Antikriegsroman Im Westen nichts Neues fast idealtypisch in das Konzept der Friedensvermarktung der Stadt Osnabrück und seiner Anknüpfung an den Westfälischen Frieden ein.

Osnabrück war seit der Industrialisierung eine Rüstungsstadt. Immer, wenn die zivilen Märkte nicht den gewünschten Mehrwert aus der Arbeit auspressen konnten, wurde für den nationalen Expansionskrieg produziert, spätestens ab den 1930er Jahren in der homogenisierten Volksgemeinschaft. Mit Kriegsbeginn erhielten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter die Produktion aufrecht. Ihre Ausbeutung war mit dem Konzept der „Vernichtung durch Arbeit“ im Universum der Vernichtungs-, Konzentrations- und Arbeitslager verbunden.

1945, in der von Staat und Kapital ausgerufenen ‚Stunde Null‘ schließlich, die von der Bevölkerung gerne aufgegriffen wurde und wird, fertigt ‚Volkswagen‘ statt dem Wehrmacht-Kübelwagen nun, baugleich mit leichten Veränderungen, den ‚zivilen‘ Käfer.

Das Osnabrücker Unternehmen der Familie Karmann stellt gleichfalls von der Produktion von Flugzeugteilen für die deutsche Luftwaffe wieder auf die Autoproduktion um. Sie geht gestärkt aus der beschworenen ‚Kriegskatastrophe‘ hervor. 2025 wird abermalig eine gewinnträchtige Konversion beschworen. Die nicht mehr profitable Autoproduktion soll nun durch diejenigen Waren der Rüstungsschmiede Rheinmetall ersetzt werden, die in der ‚Friedensstadt‘ investieren möchte. Die Arbeiter*innen sollen sich über die Erhaltung der versprochenen Niedriglohnausbeutungsplätze freuen. Kapitalisten und Finanzindustrie jubilieren, die unpolitisch servilen Gewerkschaften fordern allenfalls einen Mindestausbeutungslohn. Im November 2023 verkündete der beliebte SPD-Minister Pistorius, dass Deutschland „kriegstüchtig“ werden müsse. Eine Forderung, um in der nationalstaatlichen Konkurrenz zu bestehen und den imperialen Gegnern im täglichen Handelskrieg entgegen zu treten.

Dagegen ist daran zu erinnern, dass die „sogenannte freie Welt an ihrem eigenen Begriff zu messen“ sei. Sich „kritisch zu ihr zu verhalten und dennoch zu ihren Ideen zu stehen, sie gegen Faschismus Hitlerscher, Stalinscher und anderer Varianz zu verteidigen, ist Recht und Pflicht jedes Denkenden“, wie Max Horkheimer in den 1960er Jahren pointiert formuliert hat.

Gedenken hat nur eine Konsequenz aus dem Leiden der Opfer zu ziehen: Alles dafür zu tun, dass Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts ähnliches geschehe.

Befreiung feiern bedeutet, sich organisiert gegen jegliches Schlussstrich-Gerede zu wenden, heißt auch, der zunehmenden Kriminalisierung antifaschistischen Widerstands und allen Formen des Antisemitismus und Rassismus entgegen zu treten.

Wir gedenken der Opfer des NS-Terrors und der Wehrmachtsverbrechen!

Wir erinnern an den Schwur von Buchenwald, in dem es heißt:

„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“

Kritischer Stadtrundgang – 80. Jahrestag der Befreiung?

27. April 2025, Start 16 Uhr Rathaus, ca. 2 Std. Dauer

„…wir haben doch von nichts gewußt!“ hieß es 1945 und in den Folgejahrzehnten. In Diskussionen und Medien wurde und wird die Parole von der „Stunde Null“ verwendet. Bereits im Januar 1945 – noch vor Kriegsende – sprach ein evangelischer Theologe in Basel vom „Nullpunkt“, vor dem die deutsche Bevölkerung stehe. Der Bürgermeister von Bremen forderte im Dezember 1945 gleichfalls einen „völligen Neuanfang“.

Vermischt wurden dabei – nicht durch Zufall – Erfahrungen und Tatsachen mit Legenden zu einem harmonischen Mythos. Auf das Konstrukt vom angeblichen historischen Bruch bei tatsächlicher weitgehender Kontinuität beriefen sich große Teile der Bevölkerung wie auch ganze Berufsgruppen.

Wurde in der DDR der 8. Mai 1945 als »Tag der Befreiung vom Faschismus« gefeiert, wird in der BRD von Kapitulation und Zusammenbruch gesprochen, wie etwa bei der Weizsäcker-Rede zum 8. Mai 1985. Gleichzeitig hat sich mit der „Wiedergutwerdung der Deutschen“ (Eike Geisel) eine staatlich subventionierte kritiklose Gedenkpolitik etabliert. Die Wähler*innen der neo-faschistischen Parteien und Organisationen bis hin zu konservativen Kräften fordern einen „Schlussstrich“, sprechen vom „Vogelschiss“. Sie relativieren antifaschistisches Gedenken.

Kontinuitäten in Osnabrück

Die Deportationen der jüdischen Bevölkerung, hieß es, hätten ohne Wissen der Bevölkerung, bei „Nacht und Nebel“ stattgefunden. Orte wie die Pottgraben-Schule, ein Deportationsort, der Gestapo-Keller im Schloß, die zerstörte Synagoge befanden sich mitten in der Stadt. Dass Osnabrücker Jüdinnen und Juden von Nachbarn geholfen wurde, dass sie versteckt und vor der Deportation bewahrt wurden, ist nicht bekannt. Keine*r riskierte sein Leben für jüdische Menschen.

Bereits nach der Befreiung Osnabrücks wurden die wenigen jüdischen Überlebenden erneut mit antisemitischen Angriffen konfrontiert, die Scheiben der jüdischen Schule eingeworfen und antisemitische Parolen skandiert.

Das antisemitische Ressentiment ist niemals verschwunden. Es ist heute verbunden mit antizionistischen Angriffen gegen Israel, den einzigen Staat, der jüdisches Leben schützt.

In Osnabrück gibt es keinen umfassenden Erinnerungsort zur Nazi-Geschichte. Im Gegenteil: Viele historische Stätten werden von der aktuellen Nutzung bestimmt, verbergen ihre Rolle in der Nazi-Zeit. Das städtische Marketing konzentriert sich auf zweifelhafte Repräsentanten, wie die Diskussion um das Wirken Hans Calmeyers und die eröffnete Villa_  zeigt.

An historischen Stätten geben wir einen kritischen Einblick in die allgegenwärtige Verfolgung, Drangsalierung, Erfassung und „Arisierung“, Vertreibung und Vernichtung wie auch auf die Täter*innen und weisen auf die Kontinuitäten hin.

Orte nationalsozialistischer Gewalt – Kritischer Stadtrundgang, Freitag 25.10.2024, 16 Uhr

Im Rahmen der kritischen Erstiwochen der Kleinen Strolche geht es los am Freitag, 25.10.2024, 16 Uhr Café Mano Negra, Alte Münze 12, Osnabrück, Dauer ca. 2 Stunden.

Ausgehend vom Osnabrücker Schloss, einem zentralen Gebäude der Uni, stellen wir wesentliche Orte der NS-Stadtgeschichte in einem Rundgang vor. In Osnabrück gibt es keinen umfassenden Erinnerungsort zur NS-Geschichte. Im Gegenteil:
Viele historische Stätten werden von der aktuellen Nutzung bestimmt, verbergen ihre Rolle in der Nazi-Zeit. Das städtische Marketing konzentriert sich auf zweifelhafte Repräsentanten, wie die Diskussion um das Wirken Hans Calmeyers und die gerade eröffnete Villa_  zeigt.

Wir versuchen, an historischen Stätten einen kritischen Einblick in die allgegenwärtige Verfolgung, Drangsalierung, Erfassung und „Arisierung“, Vertreibung und Vernichtung wie auch auf die Täterinnen und Täter zu geben sowie auf Kontinuitäten hinzuweisen.

Eine Nachbetrachtung zur Kundgebung „Solidarität mit Israel und Jüdinnen und Juden weltweit“ am 7. Oktober 2024

Aus Anlaß des Jahrestags des islamistischen Terrorangriffs auf Israel versammelten sich ca. 120 Antifaschist*innen, darunter viele Mitglieder jüdischer Gemeinden auf dem Marktplatz in Osnabrück zu einer Kundgebung. Sie stand unter dem Motto „Solidarität mit Israel und Jüdinnen und Juden weltweit“. In dem Aufruf des hierzu gebildeten Bündnisses 7.10. wurden Forderungen aufgestellt, die das Existenzrecht und die Verteidigung des Staates Israel bekräftigten und zur internationalen Bekämpfung des Antisemitismus in all seinen Formen aufriefen.

In mehreren Redebeiträgen wurden verschiedene Aspekte des brutalsten Pogroms seit der Shoah angesprochen. Einleitend wurde der Trauer um die ermordeten Geiseln Ausdruck gegeben und die dringliche Freilassung der verschleppten Geiseln gefordert, die auch auf Plakaten bestärkt wurde. Hieran schloss sich die Kritik der mangelnden Solidarität mit Israel in ihren unterschiedlichen Formen an, darunter die gesellschaftsübergreifende BDS-Kampagne, die „mit Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen versuchen, Israel in vielfältiger Art zu boykottieren, von Investitionen und Handel abzuschneiden, mit Sanktionen zu belegen, kulturell zu isolieren und zu diskreditieren“, wie ein Redebeitrag hervorhob.

Ein weiterer Beitrag kritisierte die vielfältige Entsolidarisierung durch staatliche Organisationen und Teile der deutschen Mehrheitszivilgesellschaft, die hierbei ihre eigene antisemitische und rassistische Orientierung ausdrücke, wie die Verdammung und Bekämpfung Israels durch sich selbst fortschrittlich sehende und linke Aktivist*innen weltweit. Weiterhin stellte er den Gegensatz des oftmals positiv herausgestellten jüdischen Lebens, etwa zuletzt bei den 1700-Jahr-Feiern jüdischen Lebens im Gebiet des heutigen Deutschlands, und die aktuell immer wieder bemühten doppelten menschenrechtlichen Standards gegenüber Israel auf der einen und in den palästinensischen Gebieten andererseits hervor.

Ein etwas ausführlicher Redebeitrag befasste sich mit den lokalen Formen von Antisemitismus und Anti-Israelismus. Hierbei wurde nicht nur auf die vermeintlich pro-palästinensischen Kundgebungen und Demonstrationen verwiesen, die Israel dämonisieren und dessen Zerstörung fordern, sondern ebenfalls auf die mangelnden Reaktionen der Politik und Universität im Zusammenhang mit dem Terrorangriff hingewiesen. Gleichfalls wurden die islamistischen und antisemitischen Aktivitäten der Grauen Wölfe und von Palästina Spricht angesprochen. Schließlich auf Personen hingewiesen, die im Institut für Islamische Theologie der Universität oder dem Islam-Kolleg, dort ist die Erdogan-Abhängige DITIB und die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland ein Bündnispartner, nach ihrer Ausbildung durch islamistische und faschistische Aktivitäten aufgefallen sind. Hieraus wurde die Forderung aufgestellt, sich vermehrt mit diesen Strukturen und Organisationen kritisch zu beschäftigen.

Neben einem spontanen Beitrag von Reinhart Richter ging die Geschichtswerkstatt regionale Täterforschung kurz auf die erinnerungshistorische Bedeutung des Versammlungsorts ein. Zum Ausklang wurde die israelische Nationalhymne gespielt.

Leider erhielt die Kundgebung eine geringe mediale Aufmerksamkeit. Während die Hasepost auf die Kundgebungsbeiträge nicht einging, versuchte die Osnabrücker Rundschau in ihrer Ankündigung, die Kundgebung zu vereinnahmen. Die NOZ berichtete nicht, sondern druckte im Vorfeld ein längeres Interview, das anscheinend den Eindruck erwecken sollte, dass jüdisches Leben in der Friedensstadt Osnabrück nicht gefährdet sei, der dann noch eine palästinensische Stimme gegenübergestellt wurde. Diese Argumentation, die den objektiven Bedingungen jüdischen Lebens und seinem Alltag Hohn spricht, was nicht nur die erforderliche Bewachung der Synagoge immer wieder vor Augen führt.

Osnabrück ist kein Friedens-Eiland in der antisemitischen Normalität, die durch ihr Verschweigen leider nicht in ihrer Gefährlichkeit entschärft wird. Wir wünschen uns weitere praktische Initiativen, die sich gegen diesen Irrglauben stellen und die wir gerne antifaschistisch unterstützen.

Geschichtswerkstatt trifft „Den Rechten die Räume nehmen“ zum kritischen antifaschistischen Rundgang in Osnabrück

Die Geschichtswerkstatt trifft am Sonntag 8. Septmber 2024 die antifaschistische Mitmachkampagne Den Rechten die Räume nehmen. Los geht es um 16 Uhr von der Stadtbibliothek durch die Osnabrücker Innenstadt. Wir werden historische Orte der Nazi-Geschichte besuchen, wie auch ihre aktuelle Erinnerungsgeschichte aufzeigen.

Orte nationalsozialistischer Gewalt – Kritischer Stadtrundgang Freitag 3. 11. 2023, 16 Uhr

Im Rahmen der kritischen Erstsemester-Wochen  treffen wir uns um 16 Uhr im Café Mano Negra, Alte Münze 12 (Durchgang AStA-Gebäude)

Ausgehend vom Osnabrücker Schloss, einem zentralen Gebäude der Uni, stellen wir wesentliche Orte der NS-Stadtgeschichte in einem Rundgang vor. Die Untersuchungen zur Zeit des Nationalsozialismus und seinen Folgen in Osnabrück stecken in den Anfängen oder konzentrieren sich auf zweifelhafte Repräsentanten, wie die Diskussion um das Wirken des vielbeschworenen ‚Retters‘ Hans Calmeyer gezeigt hat.

 

Nazi-Kundgebung Osnabrück Ledenhof

Nazi-Kundgebung Osnabrück Ledenhof

Wir versuchen, an historischen Stätten einen kritischen Einblick in die allgegenwärtige Verfolgung, Drangsalierung, Erfassung und „Arisierung“, Vertreibung und Vernichtung wie auch auf die Täterinnen und Täter zu geben sowie auf Kontinuitäten hinzuweisen.

Erklärung der Geschichtswerkstatt regionale Täterforschung Osnabrück zur Vertreibung des Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager (DIZ) aus der Gedenkstätte Esterwegen vom 19. Juni 2023

Gegen die Kündigung – für den Erhalt des DIZ Emslandlager

Mit Bestürzung haben wir erfahren, dass dem DIZ durch die politischen Instanzen des Landkreises Emsland in Person des Landrats und Vorsitzenden der Stiftung Gedenkstätte Esterwegen Marc-André Burgdorf (CDU) das Büro in der Gedenkstätte kurzfristig gekündigt worden ist.

Dieses Vorgehen sehen wir besonders irritiert an, nachdem wir erst vor kurzem bei einem Besuch der Gedenkstätte Esterwegen direkt die Arbeit des DIZ kennen und schätzen gelernt haben. Wir wurden bei unserer Tagesexkursion von dem Guide Frau Mithöfer, die langjährig im Verein des Aktionskomitees für ein DIZ Emslandlager e. V. aktiv ist, empfangen. Es schloss sich ein ausführlicher und engagierter Vortrag über das System der Emslandlager und die Präsentation Auf den Spuren der Moorsoldaten an. Detailliert wurden die im Emsland verteilten Strafgefangenen- und Kriegsgefangenenlager, ihre geplante Einrichtung und Verwaltung, die wechselvolle Belegungsgeschichte, Biografien, Lageralltag und Formen der Selbstbehauptung, die zeitgenössischen Reaktionen aus der Bevölkerung und des Auslandes wie auch die wirtschaftliche Bedeutung der Zwangsarbeit vorgestellt. Weiterhin wurden die Nachkriegsgeschichte, die Umwidmung mit verschiedenen Funktionen des ehemaligen Lagers und das ‚Verschwinden‘ der Lagerfriedhöfe thematisiert.
Es schloss sich eine rege Diskussion mit Nachfragen auch über die Entstehung und Arbeit der Initiative des DIZ, die Möglichkeiten der Archivarbeit vor Ort und ein Erfahrungsaustausch an. Nach einer kurzen Pause wurden wir bei einem Rundgang über das Außengelände geführt. Hier standen die Architektur und Details des Lageraufbaus im Fokus. Abschließend konnten wir die verschiedenen Abteilungen der Dauerausstellung der Gedenkstätte und den Büchertisch erkunden.

Der Besuch hat uns eindringlich die Dimension des regionalen Terrors vor der Haustür unter örtlicher Osnabrücker Beteiligung von Behörden und NS-Tätern vor Augen geführt. Zu Bemängeln ist ausdrücklich die schlechte Anbindung der Gedenkstätte an den öffentlichen Nahverkehr. Hierdurch ist die Erreichbarkeit wesentlich eingeschränkt und mit hohen Kosten verbunden, was für einen Besuch abschreckend wirkt.
Aus unseren Erfahrungen in der Gedenkstätte bleibt es mehr als unverständlich, dass nun diese wertvolle Bildungs- und Vermittlungsarbeit durch die Entziehung ihrer Arbeitsmittel behindert wird. Die Arbeit des DIZ dient dem Begreifen der frühen Konzentrationslager als eines der zentralen Terrorinstrumente des Nazi-Systems, ihrer Rolle als eliminatorische Kriegsgefangenenlager und innerhalb der NS-Kriegswirtschaft.
Besonders die nun erschwerte Nutzung des umfangreichen Archivs, in dem sich zahlreiche Zeugnisse der Häftlinge und eine umfangreiche Bibliothek befinden, die durch die reiche Erfahrung und Arbeit der DIZ-Mitarbeiter:innen nutzbar gemacht wurde, beschädigt ein mehr als 40jähriges demokratisch-antifaschistisches Engagement. Es führt zurück in die Anfänge des DIZ, das sich seit seinem Entstehen und seiner Gründung 1985 zuerst mit dem anti-kommunistischen Ressentiment, der konservativ politisch-bürokratischen wie auch der wissenschaftlichen Ignoranz und schließlich der offensiven staatlich-institutionellen Gedenkvereinnahmung durch eine gelenkte Musealisierung erwehren musste und wieder muss. Dies ist umso desaströser, da Rassismus und Antisemitismus von Parteien verbreitet und von der Bevölkerung begierig aufgegriffen werden, um sich auch gewalttätig zu äußern. In dieser Konstellation scheinen der Landkreis Emsland und seine Entscheidungsträger:innen ihre Chance zu sehen, sich die Früchte einer Arbeit einzuverleiben, deren Produzent:innen sie nun los werden wollen.

Wir fordern die Bereitstellung aller notwendigen Mittel für die Förderung und Unabhängigkeit der Erinnerungs- und Aufklärungsarbeit des DIZ.
Besucht die Gedenkstätte Esterwegen! Unterstützt das DIZ! Teilt seinen Unterstützungsaufruf!

90. Jahrestag der Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933

Zum 90. Jahrestag der Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 haben wir damit begonnen eine temporäre und mobile Wandzeitung zusammenzustellen. Die Beiträge sind im Durchgang an der Alten Münze 12 an der Außenfassade des Café Mano Negra, geöffnet Freitags ab 15 Uhr, gegenüber des AStA-Eingangs plakatiert.

Anhand von Texten, Dokumenten und Bildern werden die Etappen der Verfolgung von jüdischen, kommunistischen und sozialistischen, pazifistischen und liberalen Schriftstellerinnen und Schriftstellern wie auch Künstlerinnen und Künstlern vorgestellt. Sie begann nicht erst mit der Machtübergabe an die Nazis am 30. Januar 1933 und fand ihre weitere Verschärfung, etwa die Organisierung der Bücherverbrennungen, die die Deutsche Studierendenschaft am 10. Mai 1933 durchführte. Vorausgegangen waren aber auch die Reichstagsbrandstiftung am 28. Februar1933, ein Fanal des Terrors gegen Antifaschistinnen und Antifaschisten, der Boykott gegen die jüdische Bevölkerung am 1. April 1933, ein Auftakt für die folgenden Pogrome und die Auflösung und Ausraubung der Gewerkschaften.

Der erste Teil der Wandzeitung beleuchtet Planung und Ablauf der „Aktion wider den undeutschen Geist “, wie die Deutsche Studentenschaft ihre Massenaktion nannte. Versammelt werden Stimmen von antifaschistischen Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die etwa in Berlin die Propagandaaktion beobachteten. Es schließt sich die Verschärfung des Nazi-Terrors an deutschen Hochschulen und die damit verbundene antisemitische und rassistisch-völkische Kontinuität wie auch die Kriegsmobilisierung an deutschen Universitäten an. Bereits in der Weimarer Republik fanden immer wieder Angriffe gegen Intellektuelle statt, etwa den Statistik-Professor Emil J. Gumbel oder den Hannoveraner Philosophen Theodor Lessing, der im Exil von Nazis ermordet wurde.

Weitere Stationen der Wandzeitung sind die NS-Schrifttumspolitik mit der Kontrolle und Lenkung des NS-Buchmarkte s und seiner Institutionen, Gegenaktivitäten wie etwa die Geschichte der Büchergilde Gutenberg sowie aktuelle internationale Beispiele von Bücherzensur und -verbot. Die Frage der aktuellen Erinnerung an das „Todesurteil“ gegen die deutsche Literatur und ihre Produzent:innen, wie es der exilierte Schriftsteller Alfred Kantorowicz kurz nach der Befreiung in der frühen Dokumentation verboten und verbannt 1947 nannte, schließt sich an.

Wir verstehen die Wandzeitung als einen Beitrag zu einer Aktualisierung der Nazi-Geschichte mit ihren vielfältigen konservativ-nationalistischen Vorläufen und bis in die Gegenwart reichenden Kontinuitäten.

Das Vergessen der Austreibung und Ermordung von verfolgten Schriftstellerinnen und Schriftstellern zeigt sich auch am lokalen Beispiel. Die Stadt Osnabrück bezeichnet auf der Homepage die NS-Zeit der Stadtbücherei pauschal als „kulturelle[n] Kahlschlag“ und verweist sodann auf „die nahezu totale Zerstörung“ der Bücherei. Hiermit sind wohl die alliierten Luftangriffe gemeint, die eine der militärischen Voraussetzungen waren, Nazi-Deutschland besiegen zu können. Besonders die öffentlichen Büchereien beteiligten sich aktiv an den Bereinigungen und Aussonderungen des Buchbestands. Aber auch das Verhalten und die Reaktionen der Büchereileitungen und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bleibt für die späten Nachfahren und Besucher*innen im Dunkeln.

Die folgenden Teile der Wandzeitung beschäftigen sich mit den inhaftierten und teilweise später exilierten Schriftstellern in den emsländischen Konzentrationslagern, den mit

Osnabrück und seinem Umland verbundenen geflüchteten Autor:innen und stellen schließlich Querköpfe des vielstimmigen Exilkosmos vor.

Kritik wie auch weitere Beitragsvorschläge, Ergänzungen und Kommentare bitte per Mail an: geschichtswerkstattos@riseup.net

Tagesexkursion zur Gedenkstätte Esterwegen in der Nähe von Papenburg im Emsland am 22.04.2023

Die Geschichtswerkstatt Regionale Täterforschung, das Referat für Politische Bildung und Antifaschismus des AStA der Universität Osnabrück und das Café Mano Negra laden ein zur Tagesexkursion in die Gedenkstätte Esterwegen.

Wir wollen uns vor Ort über eine Führung und vertiefende Diskussionen sowie optionale Workshops kritisch mit der Geschichte der nationalsozialistischen Lager und Lagerfriedhöfe im Emsland auseinandersetzen. Gleichzeitig möchten wir einen Blick hinter die Kulissen regionaler erinnerungspolitischer Vorgänge seit der Nachkriegszeit werfen und damit die umkämpfte Geschichte der heute als oft selbstverständlich angesehenen deutschen Erinnerungslandschaft zur NS-Zeit historisieren.

Die Kosten für die Veranstaltung werden vom AStA der Universität Osnabrück übernommen. Wir reisen gemeinsam mit einem gemieteten Bus an. Die Gedenkstätte liegt recht abgelegen, vor Ort besteht keine Möglichkeit der Verpflegung für die Mittagspause. Bitte bringt also individuell oder in gemeinsamer Absprache Verpflegung mit.

Die gemeinsame Abfahrt mit einem gemieteten Bus ist für 9:00 Uhr vor dem EW-Gebäude der Universität (Seminarstraße 20) geplant. Die Rückkehr aus Esterwegen erfolgt gegen 17:00 Uhr.

Für die Anmeldung schreibt uns bitte eine eMail an geschichtswerkstatt@riseup.net. Da die Plätze begrenzt sind, verstehen wir die Anmeldung als verpflichtend. Da wir uns über zahlreiche Rückmeldungen freuen, richten wir dennoch eine Warteliste für potenziell Nachrückende ein.

Wir freuen uns auf euer Interesse!

Orte nationalsozialistischer Gewalt – Kritischer Stadtrundgang, Freitag, 04.11.2022, 16:00 Uhr

Orte nationalsozialistischer Gewalt – Kritischer Stadtrundgang

Ausgehend vom Osnabrücker Schloß – einem zentralen Gebäude der Uni – stellen wir wesentliche Orte der NS-Stadtgeschichte in einem Rundgang vor. Bisher stecken die Untersuchungen zur Zeit des Nationalsozialismus und seinen Folgen in Osnabrück in den Anfängen oder sie konzentrieren sich auf zweifelhafte Repräsentanten, wie die Diskussion um das Wirken von Hans Calmeyer gezeigt hat.

Nazi-Kundgebung aus dem Ledenhof, Osnabrück

Wir versuchen dagegen an historischen Stätten einen kritischen Überblick über die allgegenwärtige Verfolgung, Drangsalierung, Erfassung und Arisierung, Vertreibung und Vernichtung, wie auch auf die Täter*innen zu geben und auf die vielfältigen Kontinuitäten hinzuweisen.

Der Rundgang findet am Fr. 04.11.2022 zwischen 16:00 bis ca.18:00 Uhr statt.
Treffpunkt: Café Mano Negra, Alte Münze 12, gegenüber dem AStA

Organisiert vom Café Mano Negra & der Geschichtswerkstatt regionale Täterforschung Osnabrück im Rahmen der Kritischen Erstiwochen 2022 der Linken Hochschulgruppe die Kleinen Strolche