Kritischer Stadtrundgang – 80. Jahrestag der Befreiung?

27. April 2025, Start 16 Uhr Rathaus, ca. 2 Std. Dauer

„…wir haben doch von nichts gewußt!“ hieß es 1945 und in den Folgejahrzehnten. In Diskussionen und Medien wurde und wird die Parole von der „Stunde Null“ verwendet. Bereits im Januar 1945 – noch vor Kriegsende – sprach ein evangelischer Theologe in Basel vom „Nullpunkt“, vor dem die deutsche Bevölkerung stehe. Der Bürgermeister von Bremen forderte im Dezember 1945 gleichfalls einen „völligen Neuanfang“.

Vermischt wurden dabei – nicht durch Zufall – Erfahrungen und Tatsachen mit Legenden zu einem harmonischen Mythos. Auf das Konstrukt vom angeblichen historischen Bruch bei tatsächlicher weitgehender Kontinuität beriefen sich große Teile der Bevölkerung wie auch ganze Berufsgruppen.

Wurde in der DDR der 8. Mai 1945 als »Tag der Befreiung vom Faschismus« gefeiert, wird in der BRD von Kapitulation und Zusammenbruch gesprochen, wie etwa bei der Weizsäcker-Rede zum 8. Mai 1985. Gleichzeitig hat sich mit der „Wiedergutwerdung der Deutschen“ (Eike Geisel) eine staatlich subventionierte kritiklose Gedenkpolitik etabliert. Die Wähler*innen der neo-faschistischen Parteien und Organisationen bis hin zu konservativen Kräften fordern einen „Schlussstrich“, sprechen vom „Vogelschiss“. Sie relativieren antifaschistisches Gedenken.

Kontinuitäten in Osnabrück

Die Deportationen der jüdischen Bevölkerung, hieß es, hätten ohne Wissen der Bevölkerung, bei „Nacht und Nebel“ stattgefunden. Orte wie die Pottgraben-Schule, ein Deportationsort, der Gestapo-Keller im Schloß, die zerstörte Synagoge befanden sich mitten in der Stadt. Dass Osnabrücker Jüdinnen und Juden von Nachbarn geholfen wurde, dass sie versteckt und vor der Deportation bewahrt wurden, ist nicht bekannt. Keine*r riskierte sein Leben für jüdische Menschen.

Bereits nach der Befreiung Osnabrücks wurden die wenigen jüdischen Überlebenden erneut mit antisemitischen Angriffen konfrontiert, die Scheiben der jüdischen Schule eingeworfen und antisemitische Parolen skandiert.

Das antisemitische Ressentiment ist niemals verschwunden. Es ist heute verbunden mit antizionistischen Angriffen gegen Israel, den einzigen Staat, der jüdisches Leben schützt.

In Osnabrück gibt es keinen umfassenden Erinnerungsort zur Nazi-Geschichte. Im Gegenteil: Viele historische Stätten werden von der aktuellen Nutzung bestimmt, verbergen ihre Rolle in der Nazi-Zeit. Das städtische Marketing konzentriert sich auf zweifelhafte Repräsentanten, wie die Diskussion um das Wirken Hans Calmeyers und die eröffnete Villa_  zeigt.

An historischen Stätten geben wir einen kritischen Einblick in die allgegenwärtige Verfolgung, Drangsalierung, Erfassung und „Arisierung“, Vertreibung und Vernichtung wie auch auf die Täter*innen und weisen auf die Kontinuitäten hin.